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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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Fenster ins Zweilicht.
    Er trat näher an mich heran und fragte mit leiser Stimme: »Wie lange kennen Sie Henry Davies schon?«
    »Ein knappes Jahr«, sagte ich.
    »Ich kenne ihn seit Jahrzehnten, seit dem College. Wir waren Zimmergenossen im ersten Studienjahr. Könnte mir vorstellen, Sie sind auch in den Genuss seines Vortrags darüber gekommen, dass jeder Mensch korrumpierbar ist.«
    »Ja«, sagte ich. Ich hatte zwar die leicht abgewandelte Version gehört – wenn man die passenden Hebel findet, kann man jeden Menschen unter Kontrolle bringen –, aber inzwischen konnte ich mir nicht mehr vormachen, dass es einen Unterschied zwischen Kontrolle und Korruption gab.
    »Er hat seine ganze Welt auf diesem Glaubenssatz aufgebaut«, sagte Haskins. »Geld gleich Macht. Das Tragische daran ist, dass er recht hat. Ich beobachte ihn seit Jahren. Langsam, aber sicher hat er sie alle einkassiert: Mitglieder des Senats wie des Repräsentantenhauses, sogar Präsidenten hatte er schon im Sack. Er ist eine Art Sammler. Einen nach dem anderen. Er hat bewiesen, dass er jede einflussreiche Person im Kapitol kaufen oder manipulieren kann. Er hatte sie fast alle.«
    »Außer Sie, richtig? Sie hat er nie bekommen. Sie haben ihn Lügen gestraft.«
    »Das spielt keine Rolle. Jeder Mensch hat seinen Preis. Jeder Mensch kann korrumpiert werden. Das sind die Regeln in Henry Davies’ Welt. Ein nicht korrumpierbarer Mensch existiert nicht. Und wenn einer auftaucht, tja, dann muss man ihn eben aus dem Spiel nehmen.«
    Haskins stand auf und machte das Licht aus. Einen Augenblick war es stockdunkel, dann begann ich langsam die grauen Umrisse des Raums zu erkennen.
    »Wie meinen Sie das?«, fragte ich.
    Er nahm die Schrotflinte wieder in die Hand und schaute aus dem Fenster.
    »Mein Fehler war, dass ich ihn mit dem Gesetz stoppen wollte«, sagte er. »Mit der Institution, der ich mein Leben ge widmet habe. Auf die rechtschaffene Art. Es hat nicht gereicht, und jetzt ist es zu spät. Er verliert nie. Hat er Ihnen das auch erzählt?«
    »Ja. Aber heute Abend hat er verloren. Es ist doch alles okay, hauen wir einfach ab.«
    »Nein. Sie hatten gehofft, dass ich sie zu den Beweisen führe. Ich weiß jetzt zu viel. Sie haben nur noch eine Option. Sie konnten mich nicht kaufen, also bringen sie mich um. Davies’ Gesetz.«
    »Das ist verrückt«, sagte ich. Aber inzwischen waren die Geräusche nicht mehr zu überhören: Eine oder mehrere Personen näherten sich dem Haus.
    »Ich hab auch mal gedacht, dass ich mich einfach aus dem Staub machen könnte. Aber die Geschichte geht über das in Washington übliche knallharte Geben und Nehmen hinaus, Michael. Es geht nicht mehr nur um Verführung und Erpressung. Es geht um Mord. Und das nicht zum ersten Mal.«
    »Henry hat schon früher Menschen umgebracht?«
    »Ja. Und er hat Morde in Auftrag gegeben. Er bevorzugt die Methode, die aussieht wie der stille Abgang eines überfor derten Angestellten. Schlaganfall, Herzinfarkt, nichts Ver dächtiges.«
    Haskins ging zum Fenster und lugte nach draußen. Dann zog er einen Revolver aus dem Gürtel und überprüfte das Magazin. »Ich trete nicht still und heimlich ab. Ich werde es ihm so schwer wie möglich machen, die ganze Geschichte zu vertuschen.«
    Ich schaltete mein Handy ein, bekam aber kein Netz. »Können wir die Polizei verständigen?«
    »Die Leitung ist tot. Wahrscheinlich gekappt. Ich hab’s Ihnen gesagt, es ist zu spät. Meine Zeit ist abgelaufen.«
    »Zu spät wofür? Wovon reden Sie?«
    »Henry ist nicht nur hinter mir her, weil ich Richter am Obersten Gerichtshof bin. Ich kenne ihn seit Jahren, ich habe ihm immer misstraut. Ich habe nach und nach herausgefunden, wie sein Imperium aufgebaut ist, wie er die Fünfhundert anzapft. Ich hatte geglaubt, ihn mit dem Gesetz festnageln zu können. Aber wie Sie wahrscheinlich wissen, gehört ihm das Gesetz. Es wäre besser gewesen, ich hätte meine Beweise weitergegeben.«
    Er beugte sich wieder vor und schaute aus dem Fenster. »Ich hatte geglaubt, dass ich mehr Zeit hätte. Aber jetzt wissen wir alle zu viel. Das ist ein gottverdammtes Chaos. Und Henry hasst Chaos.«
    Knarzende Bohlen. Jemand ging über die Vorderveranda. Haskins führte uns zur Hintertür.
    »Welche Beweise?«, fragte ich.
    »Niemand lernt sein Geschäft, ohne Fehler zu machen. So weit ich weiß, hat Henry nur einen einzigen gemacht, vor sehr langer Zeit. Angefangen hat er als Wahlkampfhelfer, in den Sechzigern. Schmutzige Tricks,

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