Die 7 Suenden
bloß? Wo war Joe?
Ich bitte Gott nicht oft um etwas, aber als Potero Hill näher kam, da betete ich, dass Joe nichts zugestoßen war. Als wir auf Höhe der Twentieth Street auf die Missouri stie ßen, sah ich, dass mein Straßenabschnitt abgesperrt war. Ich nahm die erstbeste Parklücke, schnappte mir Marthas Leine und hastete die steile Wohnstraße hinauf, ohne auf meine Freundinnen zu achten.
Als mein Haus endlich in Sichtweite kam, war ich völlig außer Atem. Löschzüge, Streifenwagen und Schaulustige verstopften die enge Straße und umringten mein Haus. Voller Panik suchte ich die einzelnen Gesichter ab, entdeckte die beiden Studentinnen aus dem ersten Stock und die Hausverwalterin, die im Erdgeschoss wohnte.
Sonya streckte mir ihre Hand entgegen und stammelte
»Gott sei Dank, Gott sei Dank.« Sie hatte Tränen in den Augen.
»Ist jemand verletzt?«
»Nein«, sagte sie. »Es war niemand zu Hause.«
Ich nahm sie in den Arm und war erleichtert, dass Joe zumindest nicht bei mir geschlafen hatte. Aber trotzdem hatte ich noch tonnenweise Fragen. »Was ist denn eigentlich passiert?« , wollte ich von Sonya wissen.
»Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht.«
Ich hielt Ausschau nach Jacobi und sah Claire den Feuerwehrhauptmann anbrüllen. »Mir ist vollkommen klar, dass es sich möglicherweise um ein Verbrechen handelt, aber sie ist Polizistin ! Beim San Francisco Police Department!«
Ich kannte den Feuerwehrhauptmann. Er hieß Don Walker, war ein dünner Mann mit einer langen Nase und müden Augen unter der Rußschicht, die sein Gesicht bedeckte. Er warf die Hände in die Luft und machte die Haustür auf. Claire nahm mich unter ihre Fittiche, und so betrat ich zusammen mit Yuki, Cindy und Martha das dreigeschossige Wohnhaus, in dem ich seit zehn Jahren wohnte.
67
Wir stiegen die Treppe hinauf. Ich hatte zwar weiche Knie, aber mein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Im Treppenhaus hatte es nicht gebrannt, und die Wohnungstüren im Erdgeschoss und im ersten Stock standen offen. Auch in den Wohnungen waren keine Spuren eines Brandes zu entdecken. Das ergab doch keinen Sinn.
Doch am oberen Treppenabsatz wurde mir plötzlich alles klar.
Meine Wohnungstür war in Stücke gehackt worden. Ich trat durch den verwüsteten Türrahmen und sah dort, wo einst meine Zimmerdecke war, die Sterne und den Mond. Ich riss mich vom Anblick des nächtlichen Himmels los und hatte große Mühe, den grotesken Zustand meines kleinen, gemütlichen Nestes zu erfassen. Die Wände waren schwarz, die Vorhänge nicht mehr da, die Glastüren meines Küchenschrankes in Scherben. Mein Geschirr und die Speisevorräte in meiner Vorratskammer waren explodiert, sodass es wie verrückt nach Popcorn und Chlorreiniger stank.
Meine kuscheligen Wohnzimmermöbel waren zu Klumpen aus durchnässtem Schaumstoff und Stahlfedern zusammengeschmolzen. Und dann wusste ich es: Das Feuer hatte sich alles genommen. Martha jaulte, und ich beugte mich zu ihr hinunter, vergrub mein Gesicht in ihrem Fell.
» Lindsay «, hörte ich eine Stimme rufen. »Ist dir was passiert?«
Ich drehte mich um und sah Chuck Hanni aus meinem Schlafzimmer kommen.
Hatte er etwas damit zu tun?
Hatte Rich vielleicht die ganze Zeit Recht gehabt?
Und dann tauchte direkt hinter Hanni Conklin auf, und beide trugen sie meinen Schmerz im Gesicht.
Rich breitete die Arme aus. Ich hielt mich an ihm fest, inmitten der schwarzen Ruinen meiner Wohnung, und war einfach nur froh, dass er da war. Doch als ich meinen Kopf an seine Schulter legte, durchzuckte mich eine Erkenntnis: Wenn Cindy nicht die Idee zu diesem spontanen Ausflug gehabt hätte, dann wären Martha und ich beim Ausbruch des Feuers zu Hause gewesen.
Ich riss mich von Rich los und rief nach Hanni.
Meine Stimme zitterte.
»Chuck, was hat sich hier abgespielt? Ich muss das wissen. Wollte mich irgendjemand umbringen?«
68
Hanni stand in den Überresten meines Wohnzimmers und knipste seine tragbaren Scheinwerfer an, und in genau diesem blendend hellen Augenblick kam Joe durch meine zersplitterte Tür gestürzt. Ich warf mich in seine Arme, und er hielt mich so fest, dass er mir beinahe die Luft aus den Lungen gepresst hätte.
Ich sagte: »Ich hab dich immer und immer wieder angerufen …«
»Ich habe das verdammte Handy zum Essen ausgeschaltet …«
»Ab jetzt stellst du es gefälligst auf Vibrationsalarm ...«
»Ich lege mir einen Elektrokragen an, Linds. Alles, was du willst. Ich fühle mich so mies, weil ich nicht
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