Die Abaddon-Mission (German Edition)
schmerzenden Gli e dern ihre Quartiere erreichten, war die Sonne längst untergegangen ...
Über die Schmerzen in seiner Lunge und die Schwindelanfälle nach steilen Anstiegen sprach der Mann nie. Auch das hatte er gelernt. Wer Schwäche zeigte, machte sich angreifbar. Normalerweise lief sein Team nicht übermäßig schnell, doch wenn einer der Läufer Schwierigkeiten bekam und langsamer wurde, zogen die Führenden das Tempo beinahe automatisch an, bis der Betreffende den Anschluß verloren hatte.
»Bei uns ist kein Platz für Schwächlinge«, sollte das wohl heißen, und der Mann richtete sich danach.
Manchmal, wenn sie abgeschlagene Läufer vora n laufender Gruppen überholten, empfand der Mann so etwas wie Schadenfreude.
Meist waren es ältere Männer, die dem Tempo der Jüngeren nicht mehr gewachsen waren. Sie trabten mit schmerzverzerrten Gesichtern und traurigen A u gen die Straße entlang und blieben nur deshalb nicht stehen, weil sie sich schämten. Wenn sie schließlich zusammenbrachen, waren die Sanitäter rasch zur Stelle und schafften sie weg. Wohin, darüber hatte sich der Mann früher oft den Kopf zerbrochen, bis er schließlich begriffen hatte, daß auch das ohne B e lang war. Wer nicht mehr laufen konnte, war aus dem Rennen. Punkt und aus.
Doch es gab auch noch andere, deren Verhalten dem Mann Rätsel aufgab. Läufer, denen körperlich nichts zu fehlen schien, und die dennoch das Rennen au f gaben. Männer mit zornigen Augen, die plötzlich stehenblieben und die Kampfrichter beschimpften. Manchmal versuchten sie sogar, andere Läufer au f zuhetzen, doch dann waren meist schon die Stre c kenposten vor Ort und sorgten für Ordnung.
Wenn der Mann etwas bewunderte, dann war es die Organisation des Rennens.
Es gab Verpflegungsstände, Streckenposten, San i täter, Kampfrichter und ein Komitee, das dafür sor g te, daß die Quartiere exakt nach der jeweiligen Plazi e rung vergeben wurden. Jedenfalls glaubte der Mann das. Nach jeder Etappe passierten die Läufer z u nächst eine Versorgungsstelle und fuhren dann mit dem Lift in ihre Quartiere, wo ihre Familien auf sie warteten. Die Spitzenläufer in die obersten Et a gen und die Nachzügler in die engen, stickigen Unte r künfte im Keller. Wie viele Ebenen es gab, wußte niemand. Die Spitzenläufer kannte der Mann nur vom Hörensagen, und ihre Namen wurden stets mit Ehrfurcht ausgesprochen.
Früher war der Mann noch ehrgeiziger gewesen, hatte geglaubt, eines Tages zu den Gewinnern geh ö ren zu können. Damals war er oft bis zur Erschö p fung gelaufen, hatte viele Läufer überholt und sich niemals umgeschaut.
Bis Lena ihn verlassen hatte.
Der Mann war erstaunt und beleidigt gewesen, denn eigentlich hatte er es ja nur für sie getan. Schließlich hatte er dafür gesorgt, daß sie die unt e ren Ebenen verlassen und eine menschenwürdige Unterkunft bewohnen durften.
Erst später begriff er, daß ihm das Rennen die ganze Zeit über wichtiger gewesen war als alles a n dere. Und daß Lena deshalb gegangen war ...
Doch das Rennen ging weiter, und dem Mann blieb wenig Zeit, sich über das Geschehene Geda n ken zu machen. Er lernte Anna kennen, sie mochten eina n der, und so zog er schließlich mit ihr und den Ki n dern zusammen. Im übrigen lief er.
Die Kinder wurden erwachsen und heirateten, und der Mann lief weiter.
Er hatte sich längst damit abgefunden, nicht zu den Spitzenläufern zu gehören. Mittlerweile hatte er sich sogar daran gewöhnt, überholt zu werden, war es doch nur natürlich, daß Jüngere schneller und eh r geiziger waren als er.
Auf die Idee, das Rennen aufzugeben, kam der Mann jedoch nie.
Er lief weiter, egal ob es regnete oder die Sonne vom augustblauen Himmel brannte.
Schließlich brach er an einem der steileren A n stiege zusammen, und die Sanitäter bekamen Arbeit. Der Wettkampfarzt meinte, sein Blutdruck sei etwas zu hoch und verschrieb ihm Tabletten für sein Herz. Die meisten Läufer hätten hin und wieder Kreislau f probleme, und ein Grund zur Aufgabe sei das noch lange nicht.
Der Mann schüttelte dem Arzt dankbar die Hand, nahm seine Tabletten und lief weiter.
An einem der seltenen Ruhetage besuchte der Mann seine Eltern und stellte erschrocken fest, daß sie alt geworden waren. Irgendwann hatte sein Vater das Rennen aufgegeben, ohne daß der Mann davon e r fahren hätte. Sie lebten still und zurückgezogen, und es gab wenig, worüber sie sich noch freuen oder empören konnten. Ihre Gleichgültigkeit machte den
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