Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
bei den Kaisermanövern.«
Das Lächeln des Wachtmeisters ward nach dieser Antwort noch freundlicher und siegesbewußter. Er fühlte im Innern, daß er mit dem System seiner Fragen sich selbst übertroffen hatte.
»Ham Sie die ganzen Manöver mitgemacht?«
»Gewiß, Herr Wachmajster, als Infanterist.«
Und Schwejk blickte wiederum ruhig wie früher den Wachtmeister an, der unruhig wurde vor Freude und sich kaum zurückhalten konnte, das alles schnell in den Rapport einzutragen. Er rief den Postenführer, um Schwejk abführen zu lassen, und vervollständigte seinen Rapport: »Sein Plan war nachstehender: Wenn es ihm gelungen wäre, sich in die Reihen des 91. Infanterieregimentes einzuschleichen, hätte er sich sofort zur Front gemeldet, um bei der nächsten Gelegenheit nach Rußland zu gelangen, denn er sah ein, daß ein anderer Rückweg angesichts der Wachsamkeit der österreichischen Organe unmöglich sei. Daß er beim 91. Infanterieregiment seine Absicht ausgezeichnet durchgeführt hätte, ist vollkommen begreiflich, denn in seinem Geständnis hat er sich nach einem längeren Kreuzverhör dazu bekannt, daß er im Jahre 1910 die ganzen Kaisermanöver in der Umgebung von Pisek als Infanterist mitgemacht hat. Daraus ist ersichtlich, daß er in seinem Fach sehr fähig ist. Ich bemerke noch, daß die angeführten Beschuldigungen das Ergebnis meines Kreuzverhörsystems sind.«
In der Türe erschien der Postenführer. »Herr Wachmajster, er will aufn Abort gehn.«
|278| »Bajonett auf!« entschied der Wachtmeister, »doch nein, bringen Sie ihn her.«
»Sie wolln auf den Abort gehn?« sagte der Wachtmeister freundlich, »steckt da nicht was anderes dahinter?« Und er heftete seinen Blick auf Schwejks Gesicht.
»Es steckt wirklich nur die große Seite dahinter, Herr Wachmajster«, antwortete Schwejk.
»Daß nur nicht was anderes dahintersteckt«, wiederholte der Wachtmeister bedeutungsvoll, den Dienstrevolver umgürtend, »ich geh mit Ihnen!«
»Das is ein sehr guter Revolver«, sagte er unterwegs zu Schwejk, »sieben Schuß und schießt präzis.«
Bevor sie jedoch den Hof betraten, rief er den Postenführer und sagte ihm leise: »Bajonett auf! Sie stellen sich, bis er im Abort sein wird, dahinter, damit er sich nicht durch die Mistgrube durchgräbt.«
Der Abort war klein, ein gewöhnliches Holzhäuschen, das verzweifelt mitten im Hof über einer Grube voll Jauche stand, die aus dem nahen Misthaufen herausfloß.
Er war bereits ein alter Veteran, in dem ganze Generationen ihre Notdurft verrichtet hatten. Jetzt saß hier Schwejk, mit einer Hand hielt er mittels eines Strickes die Türe zu, während ihm rückwärts durch das Fenster der Postenführer auf den Hintern blickte, damit sich Schwejk nicht durchgrabe.
Und die Falkenaugen des Gendarmeriewachtmeisters waren unverwandt auf die Türe gerichtet; er überlegte, in welches Bein er Schwejk schießen solle, falls dieser einen Fluchtversuch machen würde.
Aber die Türe öffnete sich ruhig, der zufriedene Schwejk trat heraus und sagte zum Wachtmeister: »War ich nicht zu lang drin? Hab ich Sie nicht vielleicht aufgehalten?«
»Oh, nicht im geringsten, nicht im geringsten«, antwortete der Wachtmeister, während er im Geiste dachte: »Was für feine, anständige Leute das sind. Er weiß, was auf ihn wartet, aber alle Ehre! Bis zum letzten Augenblick benimmt er sich anständig. Möcht das unsereiner an seiner Stelle tun?«
Der Wachtmeister setzte sich in der Wachstube neben Schwejk |279| auf das leere Kavallett des Gendarmen Rampa, der bis früh Dienst hatte und einen Rundgang durch das Dorf machen sollte; zu dieser Stunde saß er friedlich im »Schwarzen Roß« in Protiwin und spielte mit dem Schustermeister Mariage, wobei er in den Pausen auseinandersetzte, daß Österreich siegen müsse.
Der Wachtmeister zündete sich eine Pfeife an, ließ Schwejk die seine stopfen, der Postenführer legte Kohle in den Ofen, und die Gendarmeriestation verwandelte sich in den angenehmsten Ort der Erdkugel: in einen stillen Winkel, ein warmes Nest in der heranrückenden Winterdämmerung, in der man Plauderstündchen zu halten pflegt.
Aber alle schwiegen. Der Wachtmeister verfolgte einen bestimmten Gedanken, und zum Schluß äußerte er sich, zum Postenführer gewendet: »Meiner Ansicht nach ist es nicht richtig, Spione zu hängen. Ein Mensch, der sich für seine Pflicht, für sein – sozusagen – Vaterland opfert, soll auf ehrenhafte Weise hingerichtet werden, mit Pulver
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