Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
und Blei, was meinen Sie, Herr Postenführer?«
»Entschieden soll man ihn nur erschießen und nicht hängen«, stimmte der Postenführer zu, »sagen wir, man würde uns schicken und uns sagen: ›Ihr müßt auskundschaften, wieviel Maschinengewehre die Russen in ihrer Maschinengewehrabteilung haben.‹ Wir würden uns verkleiden und gehn. Und dafür sollt man mich hängen wie einen Raubmörder?«
Der Postenführer regte sich so auf, daß er aufstand und ausrief: »Ich verlange, daß man mich erschießt und mit militärischen Ehren begräbt.«
»Da is ein Hakerl dran«, ließ sich Schwejk vernehmen, »nämlich wenn man gescheit is, kann einem keiner nie nichts nachweisen.«
»Aber man weists einem nach!« behauptete der Wachtmeister, »wenn man auch noch so gescheit ist und seine
eigene Methode
hat. Sie werden sich selbst davon überzeugen.
Sie werden sich überzeugen«, wiederholte er in gemäßigtem Ton, dem er ein liebenswürdiges Lächeln folgen ließ, »bei uns hat niemand mit Ausflüchten Erfolg, nicht wahr, Herr Postenführer?«
|280| Der Postenführer nickte zustimmend mit dem Kopf und bemerkte, daß bei manchen Leuten die Sache schon im voraus verloren sei, daß da nicht einmal die Maske vollkommener Ruhe helfe, denn je ruhiger jemand aussehe, desto mehr zeuge das gegen ihn.
»Sie haben meine Schule, Herr Postenführer«, erklärte der Wachtmeister stolz, »Ruhe ist eine Seifenblase. Künstliche Ruhe ist ein corpus delicti.« Und die Darlegung seiner Theorie unterbrechend, wandte er sich an den Postenführer: »Was solln wir uns denn heut zum Nachtmahl geben lassen?«
»Sie gehn heute nicht ins Wirtshaus, Herr Wachmajster?«
Durch diese Frage erstand für den Wachtmeister ein neues schweres Problem, das augenblicklich gelöst werden mußte.
Was, wenn der da, seine nächtliche Abwesenheit benützend, entfliehen würde? Der Postenführer ist zwar ein verläßlicher, vorsichtiger Mensch, aber es sind ihm schon zwei Landstreicher durchgebrannt. In Wirklichkeit verhielt sich die Sache allerdings so, daß er die beiden, da er sich im Schnee nicht bis nach Pisek schleppen wollte, bei Ražitz in den Feldern freigelassen und nur pro forma einen Schuß in die Luft abgefeuert hatte. »Wir werden unsere Alte ums Nachtmahl schicken und uns das Bier immer im Krug holen lassen«, löste der Wachtmeister das schwierige Problem, »soll die Alte bißl Bewegung machen.«
Und die alte Pejsler, die sie bediente, machte wirklich Bewegung.
Nach dem Nachtmahl war der Weg zwischen der Gendarmeriestation und dem Gasthaus »Zum Kater« ununterbrochen belebt. Ungewöhnlich viele Spuren der großen Stiefel der alten Pejsler auf dieser Verbindungslinie zeugten dafür, daß sich der Wachtmeister für die Abwesenheit im »Kater« in vollem Maße schadlos hielt.
Und als schließlich die alte Pejsler in der Schenkstube mit der Botschaft erschien, der Herr Wachtmeister lasse sich schön empfehlen und wünsche, daß man ihm eine Flasche Kontuschowka schicke, platzte die Neugierde des Wirtes.
»Wen sie dort ham?« antwortete die alte Pejsler, »einen verdächtigen |281| Menschen. Grad bevor ich weggegangen bin, ham sie ihn beide um den Hals gefaßt gehabt, und der Herr Wachmajster hat ihn am Kopf gestreichelt und zu ihm gesagt: ›Du mein goldener Slawenjunge, du mein kleiner Spion!‹«
Und dann, lange nach Mitternacht, schlief der Postenführer, fest schnarchend, auf sein Kavallett gestreckt, in voller Uniform ein.
Ihm gegenüber saß der Wachtmeister mit dem Rest der Kontuschowka auf dem Flaschenboden und hielt Schwejks Hals umschlungen; Tränen flossen ihm über die gebräunten Wangen, sein Bart war von der Kontuschowka verklebt, und er lallte nur: »Sag, daß sie in Rußland nicht so eine gute Kontuschowka ham, sags, damit ich ruhig schlafen kann. Gesteh wie ein Mann.«
»Sie ham keine so gute.«
Der Wachtmeister wälzte sich auf Schwejk.
»Du hast mir Freude gemacht, du hast gestanden. So solls sein beim Verhör. Wenn ich schuldig bin, wozu leugnen?«
Er erhob sich, und mit der leeren Flasche in sein Zimmer taumelnd, lallte er: »Wenn ich nicht auf den unrechten W wwweg geraten wär, hätt alles anders ausfalln können.«
Bevor er in der Uniform auf sein Bett sank, zog er aus dem Schreibtisch seinen Rapport hervor und versuchte, ihn mit folgendem Material zu ergänzen: »Ich muß noch hinzufügen, daß die russische Kontuschowka auf Grund des § 56 …« Er machte einen Klecks, leckte ihn ab, fiel blödsinnig
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