Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
genommen, Herr Wachmajster, und ich erinner mich, daß Sie gesagt ham: ›Merken Sie sich, daß jeder Kaiser und König nur an seine eigene Tasche denkt und drum führt er Krieg, auch wenns meintwegen so ein Greis is wie der alte Prochazka, den man nicht mehr ausn Scheißhaisl lassen kann, damit er nicht ganz Schönbrunn vollmacht.‹«
|284| »Das soll ich gesagt haben?«
»Ja, Herr Wachmajster, das ham Sie gesagt, bevor Sie auf den Hof heraus kotzen gegangen sind. Sie ham noch geschrien: ›Alte Vettel, steck mir den Finger in den Hals.‹«
»Sie haben sich auch schön ausgedrückt«, unterbrach ihn der Wachtmeister, »wo sind Sie nur auf so eine Dummheit gekommen, daß Nikolai Nikolajewitsch König von Böhmen werden wird?«
»An das erinner ich mich nicht«, ließ sich schüchtern der Postenführer vernehmen.
»Na, wie sollen Sie sich dran erinnern! Sie waren ja vollgesogen wie ein Sack, haben Schweinsäuglein gehabt, und wie Sie herausgehn wollten, sind Sie statt durch die Tür aufn Ofen gekrochen.«
Beide verstummten, bis der Wachtmeister das Schweigen unterbrach: »Ich hab Ihnen immer gesagt, daß Alkohol unser Verderben ist. Sie vertragen nicht viel und trinken. Wie, wenn Ihnen unser Arrestant entlaufen wär? Gott, mir zerspringt der Kopf.
Ich sag, Herr Postenführer«, fuhr der Wachtmeister fort, »grad weil er nicht weggelaufen ist, ist die Sache vollständig klar, was das für ein gefährlicher und raffinierter Mensch ist. Bis man ihn verhören wird, wird er sagen, daß die ganze Nacht offen war, daß wir betrunken waren und daß er tausendmal hätt weglaufen können, wenn er sich schuldig gefühlt hätt. Noch ein Glück, daß man so einem Menschen nicht glaubt, und wenn wir unterm Diensteid aussagen werden, daß das Erfindung und freche Lüge ist, hilft ihm nicht mal der liebe Herrgott, und er hat noch einen Paragraphen mehr am Hals. Bei seinem Fall spielt das freilich keine Rolle. – Wenn mir nur nicht der Kopf so weh tät.«
Stille. Nach einer Pause ließ sich der Wachtmeister vernehmen: »Rufen Sie unsere Alte her.«
»Hören Sie, Alte«, sagte der Wachtmeister zur Pejsler, während er ihr streng ins Gesicht blickte, »treiben Sie irgendwo ein Kruzifix auf einem Postament auf und bringen Sies her.«
Als Antwort auf den fragenden Blick der Pejsler brüllte der Wachtmeister: »Schaun Sie, daß Sie schon hier sind.«
|285| Der Wachtmeister zog zwei Kerzen aus dem Tisch, auf denen sich die vom Versiegeln der Amtsakten herrührenden Spuren von Siegellack befanden, und als die Pejsler schließlich mit dem Kruzifix anrückte, stellte der Wachtmeister das Kreuz zwischen die beiden Kerzen an den Rand des Tisches, zündete die Kerzen an und sagte ernst: »Setzen Sie sich, Alte.«
Die erstarrte Pejsler sank auf das Kanapee und schaute verstört auf den Wachtmeister, die Kerzen und das Kruzifix. Sie war erfüllt von Angst, und man konnte sehen, wie die Hände, die sie auf der Schürze hielt, samt den Knien zitterten.
Der Wachtmeister schritt ernst vor ihr auf und ab, blieb dann vor ihr stehen und sagte feierlich: »Gestern abend waren Sie Zeugin einer großen Begebenheit. Kann sein, daß Ihr blöder Verstand das nicht begriffen hat. Dieser Soldat da ist ein Kundschafter, ein Spion, Alte.«
»Jesusmaria«, rief die Pejsler, »Heilige Jungfrau Maria aus Skotschitz!«
»Ruhig, Alte! Damit wir was aus ihm herauskriegen, haben wir verschiedene Sachen reden müssen. Sie haben doch gehört, was für komische Sachen wir geredet haben?«
»Das hab ich gehört«, ließ sich die Pejsler mit zitternder Stimme vernehmen.
»Aber alle diese Reden, Alte, haben ihn nur dazu bewegen sollen, zu gestehen und uns Vertrauen zu schenken. Und es ist uns gelungen. Wir haben alles aus ihm herausgekriegt. Er ist uns aufn Leim gegangen.«
Der Wachtmeister unterbrach seine Rede für einen Augenblick, um die Dochte an den Kerzen in Ordnung zu bringen, dann fuhr er ernsthaft fort, während er die Pejsler streng anblickte: »Sie waren dabei, Alte, und sind in das ganze Geheimnis eingeweiht. Dieses Geheimnis ist ein Amtsgeheimnis. Davon dürfen Sie niemandem gegenüber was erwähnen. Nicht mal am Totenbett, sonst dürft man Sie nicht mal am Friedhof begraben.«
»Jesusmariandjosef«, jammerte die Pejsler, »daß ich Unglückliche jemals meinen Fuß hier hereingesetzt hab.«
»Heulen Sie nicht, stehn Sie auf, treten Sie zum Kruzifix, |286| legen Sie zwei Finger von der rechten Fland darauf. Sie werden schwören. Sprechen Sie
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