Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
gekommen ist, zu jener Verwechslung, die klar bewiesen hat, daß nicht alle Bäume in den Himmel wachsen, Kamerad. Hochmut kommt vor dem Fall. Glück und Glas, wie leicht bricht das. Ikarus hat sich die Flügel verbrannt. Der Mensch möchte ein Gigant sein und ist ein Dreck, Kamerad. Man soll nicht an den Zufall glauben und soll sich früh und abend ohrfeigen, damit man nicht daran vergißt, daß Vorsicht die Mutter der Weisheit ist und daß allzuviel schadet. Nach Bacchanalien und Orgien stellt sich immer ein moralischer Katzenjammer ein. Das ist ein Naturgesetz, lieber Freund. Wenn ich bedenke, daß ich mir die Superarbitrierungsvisit verdorben hab! Daß ich hätte felddienstuntauglich werden können. So eine ungeheure Protektion! Ich hätt mich in der Kanzlei auf dem Ergänzungskommando herumspielen können, aber meine Unvorsichtigkeit hat mich zu Fall gebracht.«
Der Einjährigfreiwillige beendete seine Beichte mit den feierlichen Sätzen: »Auch Karthago ist zerstört worden, aus Ninive hat man Ruinen gemacht, lieber Freund, aber Kopf hoch! Man soll nicht glauben, daß ich, wenn man mich an die |304| Front schickt, einen Schuß abfeuern werde. Regimentsrapport! Aus der Schule ausgeschlossen! Der k. k. Kretinismus soll leben! Akkurat in der Schule werd ich ihnen sitzen und Prüfungen ablegen! Kadett, Fähnrich, Leutnant, Oberleutnant. Ich werd ihnen was scheißen! Offiziersschule, Behandlung jener Schüler, welche einen Jahrgang repetieren müssen! Militärparalyse. Trägt man das Gewehr auf der linken oder der rechten Schulter? Wieviel Sternchen hat ein Korporal? Evidenzhaltung. Militärreservisten! – Himmelherrgott, wir haben nichts zu rauchen, Kamerad. Wollen Sie, daß ich Sie auf den Plafond zu spucken unterrichte? Schaun Sie, das macht man so. Denken Sie sich etwas dabei, und Ihr Wunsch geht in Erfüllung. Wenn Sie gern Bier trinken, kann ich Ihnen ein großartiges Wasser dort im Krug empfehlen. Wenn Sie Hunger haben und mit Appetit essen wollen, empfehle ich ihnen die ›Bürgerres source ‹ 2 . Ich kann Ihnen auch raten, aus Langweile Gedichte zu schreiben. Ich hab hier eine Epopöe verfaßt:
Ist der Profos da? Schlaft sie nicht, die brave Seele?
Hier liegt der Schwerpunkt der Armee,
doch nur bevor aus Wien einlangen die Befehle,
daß wieder mal gelitten unser Renommee.
Da baut er gleich dem Feind zu Schaden
aus unsern Pritschen Barrikaden,
Speichel rinnt dem wackern Sohne
aus dem Mund, wenn er sie eint:
Innig bleibt mit Habsburgs Throne
Österreichs Geschick vereint.
Sehn Sie, Kamerad«, fuhr der dicke Einjährigfreiwillige fort, »dann soll jemand sagen, daß unter dem Volk die Achtung vor unserm geliebten Monarchen ausstirbt. Ein gefangener Mann, der nichts zu rauchen hat und den der Regimentsrapport erwartet, liefert das schönste Beispiel der Anhänglichkeit an den Thron. Er bringt in seinen Liedern seinem weiteren, von allen Seiten mit Dresche bedrohten Vaterland eine Huldigung dar. |305| Er ist der Freiheit beraubt, aber aus seinem Mund strömen Verse voll unerschütterlicher Ergebenheit. Morituri te salutant, Caesar! Die Toten grüßen dich, Kaiser, aber der Profos ist ein Schuft. Hast eine hübsche Dienerschaft in deinen Diensten. Vorgestern hab ich ihm fünf Kronen gegeben, er soll mir Zigaretten kaufen, und der Kerl, der elende, hat mir heute früh gesagt, daß man hier nicht rauchen darf, daß er damit Unannehmlichkeiten hätt und daß er mir die fünf Kronen zurückgeben wird, bis er die Löhnung bekommt. Ja, Kamerad, ich glaub heutzutage an nichts mehr. Die besten Wahrworte sind auf den Kopf gestellt. Arrestanten zu bestehlen! Und der Kerl singt zu allem noch den ganzen Tag. Wo man singt, da laß dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder! Halunke, Schuft, Schurke, Verräter!«
Der Einjährigfreiwillige richtete nun an Schwejk die Frage, was er angestellt habe.
»Das Regiment gesucht?« sagte er, »das ist eine hübsche Tour. Tabor, Mühlhausen, Kvetov, Wraz, Maltschin, Tschizowa, Sedletz, Hora dowitz, Radomyschl, Putim, Schtek-no, Strakonitz, Wolyn, Ticha, Vodňan, Protiwin, Putim, Pisek, Budweis. Ein dorniger Weg. Auch Sie kommen morgen zum Regimentsrapport? Bruder, auf dem Richtplatz treffen wir einander also wieder. Da wird unser Oberst Schröder aber eine hübsche Freude haben. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie Regimentsaffären auf ihn wirken. Er fliegt auf dem Hof herum wie ein toller Bullenbeißer und steckt die Zunge heraus wie eine Schindmähre.
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