Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
einen Dienst! Kennst du den Lehrsatz, daß der Einfallswinkel gleich ist dem Ausfallswinkel? Um eins bitt ich dich nur: Zeig und gib mir einen festen Punkt im Weltall, und ich hebe die ganze Erde samt dir empor, du aufgeblasener Kerl!« Der Profos wälzte die Augen heraus, schüttelte sich und schlug die Tür zu.
|308| »Gegenseitiger Hilfsverein zur Vertilgung der Profosen«, sagte der Einjährigfreiwillige, die Brotration gerecht in zwei Teile zerlegend, »nach § 16 der Gefängnisordnung sollen die Arrestanten in den Kasernen bis zum Urteil mit Militärmenage versorgt werden, aber hier herrscht das Gesetz der Prärie: Wer es den Arrestanten zuerst auffrißt!«
Sie saßen auf der Pritsche und nagten an dem Kommißbrot.
»Am Profosen kann man am besten sehn«, fuhr der Einjährigfreiwillige in seinen Betrachtungen fort, »wie der Krieg den Menschen verroht. Gewiß war unser Profos, bevor er den Militärdienst angetreten hat, ein junger Mann mit Idealen, ein blonder Cherub, sanft und gefühlvoll für jedermann, ein Verteidiger der Unglücklichen, für die er sich bei Raufereien um ein Mädl bei der Kirmes im heimatlichen Dorf immer eingesetzt hat. Es besteht kein Zweifel, daß ihn alle schätzten, aber heute – mein Gott, wie gern möchte ich ihm eins übers Maul geben, ihm den Kopf an die Pritsche schlagen, ihn kopfüber in die Latrine werfen. Auch das, lieber Freund, ist ein Beweis der vollständigen Verrohung beim Kriegshandwerk.«
Er begann zu singen:
»Hatte nicht mal Angst vor Teufeln,
da begegnet ihr ein Kanonier …
Lieber Freund«, setzte er seine Darlegungen fort, »wenn wir das alles im Maßstab unserer lieben Monarchie betrachten, gelangen wir unwiderruflich zu dem Schluß, daß es sich mit ihr genauso verhält wie mit dem Onkel Puschkins. Puschkin hat von ihm geschrieben, da der Onkel ein Scheusal sei, bleibe nichts übrig als:
Seufzen und denken still für sich,
wann holt der Teufel endlich dich!«
Von neuem ertönte das Rasseln von Schlüsseln, und der Profos zündete auf dem Gang die Petroleumlampe an.
»Ein Lichtstrahl in der Finsternis!« schrie der Einjährigfreiwillige. |309| »Die Aufklärung dringt in die Armee! Gute Nacht, Herr Profos, grüßen Sie alle Chargen und lassen Sie sich etwas Hübsches träumen. Meinetwegen, daß Sie mir schon die fünf Kronen zurückgegeben haben, die ich Ihnen für Zigaretten gegeben hab und die Sie auf meine Gesundheit vertrunken haben. Schlafen Sie süß, Ungeheuer.«
Man hörte, daß der Profos etwas vom morgigen Regimentsrapport brummte.
»Wieder allein«, sagte der Einjährigfreiwillige, »ich pflege die Zeit vor dem Einschlafen einem Vortrage über die tägliche Zunahme der zoologischen Kenntnisse der Unteroffiziere und Offiziere zu widmen. Um neues lebendes Kriegsmaterial und militärisch bewußte Bissen für die Rachen der Kanonen aus dem Boden zu stampfen, dazu braucht man gründliche Naturgeschichtsstudien oder das Buch ›Quellen des wirtschaftlichen Wohlstandes‹, Verlag Kočí, wo sich auf jeder Seite das Wort Rindvieh, Schwein, Sau befindet. In der letzten Zeit sehen wir jedoch, daß unsere fortgeschrittenen Militärkreise neue Benennungen für die Rekruten einführen. Bei der 11. Kompanie benützt der Korporal Althof das Wort: Engadiner Ziege. Gefreiter Müller, ein deutscher Lehrer aus Bergreichenstein, nennt die Rekruten tschechische Stinktiere, Feldwebel Sondernummer nennt sie Ochsenfrösche, Yorkshire-Eber und verspricht dabei, daß er jeden Rekruten ausstopfen wird. Er sagt dies mit einer solchen fachmännischen Sachkenntnis, als stamme er aus einer Familie von Tierausstopfern. Alle militärischen Vorgesetzten bemühen sich, auf diese Weise die Liebe zur Heimat mit besonderen Hilfsmitteln einzuimpfen, als da sind Gebrüll und Gehops um die Rekruten, Kriegsgeheul, das an Wilde in Afrika erinnert, die sich anschicken, eine unschuldige Antilope abzuhäuten oder einen Missionärsschlegel zu braten, der dazu bestimmt ist, verspeist zu werden. Auf die Deutschen bezieht sich das allerdings nicht. Wenn Feldwebel Sondernummer etwas von ›Saubande‹ spricht, fügt er immer rasch hinzu ›tschechische‹, damit die Deutschen nicht beleidigt sind und es nicht auf sich beziehen. Dabei rollen alle Unteroffiziere bei der 11. Marschkompanie die Augen wie ein |310| bedauernswerter Hund, der aus Freßgier einen in Öl getauchten Schwamm schluckt und ihn nicht aus dem Hals herausbekommen kann. Einmal habe ich ein Gespräch zwischen Gefreiten
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