Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
sei rücklings auf Kotatko gefallen. Als man ihn zur Besinnung brachte, habe Schwejk, der die ganze Zeit hindurch die Ehrenbezeigung geleistet habe, wiederholt: »Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, ich bin wieder hier.« Und da habe Oberleutnant Lukasch, leichenblaß, mit zitternden Händen die Schwejk betreffenden Papiere ergriffen, habe sie unterschrieben und alle gebeten, das Zimmer zu verlassen; dem Gendarmen habe er gesagt, es sei gut, worauf er sich mit Schwejk in der Kanzlei eingesperrt habe.
Hiermit endete Schwejks Budweiser Anabasis. Sicher ist, daß Schwejk, wenn ihm seine Bewegungsfreiheit belassen worden wäre, auch allein nach Budweis gekommen wäre. Wenn die Behörden sich dessen rühmten, Schwejk an seinen Dienstort gebracht zu haben, so ist dies einfach ein Irrtum. In Anbetracht seiner Energie und seiner unverwüstlichen Kampfeslust war das Einschreiten der Behörden in diesem Falle nichts anderes als ein Knüppel, den man ihm zwischen die Füße warf.
Schwejk und Oberleutnant Lukasch blickten einander in die Augen.
Aus den Augen des Oberleutnants leuchtete etwas Entsetzliches, Fürchterliches und Verzweifeltes, und Schwejk blickte den Oberleutnant sanft und liebevoll an, wie eine verlorene und wiedergefundene Geliebte.
In der Kanzlei wurde es still wie in einer Kirche.
In dem anstoßenden Gang hörte man jemanden auf und ab gehen. Einen gewissenhaften Einjährigfreiwilligen, der wegen Schnupfens zu Hause geblieben war, was man seiner Stimme |300| anmerkte, denn er schnaufelte das, was er laut auswendig lernte, vor sich hin: »Wie man in Festungen Mitglieder des Kaiserhauses empfängt.« Man hörte deutlich: »Sobald die höchste Herrschaft in der Nähe der Festung anlangt, ist das Geschütz auf allen Bastionen und Werken abzufeuern, der Platzmajor empfängt dieselben mit Degen in der Hand zu Pferde und reitet sodann davon.«
»Halten Sie dort das Maul«, brüllte der Oberleutnant in den Gang, »scheren Sie sich zu allen Teufeln! Wenn Sie Fieber haben, so bleiben Sie zu Haus im Bett.«
Man hörte, wie sich der fleißige Einjährigfreiwillige entfernte, und gleich einem leisen Echo ertönte vom Ende des Ganges das Geschnaufel: »In dem Augenblicke, als der Kommandant salutiert, ist das Abfeuern des Geschützes zu wiederholen, was beim Absteigen der höchsten Herrschaft zum drittenmal zu geschehen hat.«
Und wiederum betrachteten der Oberleutnant und Schwejk einander stumm, bis Oberleutnant Lukasch schließlich mit scharfer Ironie sagte: »Schön willkommen in Budweis, Schwejk. Wer gehängt werden soll, der ertrinkt nicht. Man hat schon einen Steckbrief hinter Ihnen erlassen, und morgen werden Sie zum Regimentsrapport gehn. Ich werde mich nicht mehr mit Ihnen ärgern. Ich hab mich schon mehr als genug mit Ihnen abgeärgert, und meine Geduld ist zu Ende. Wenn ich bedenke, daß ich so lange mit einem Idioten wie Sie leben konnte …«
Er fing an, in der Kanzlei auf und ab zu gehen. »Nein, das ist schrecklich. Jetzt wunder ich mich, daß ich Sie nicht erschossen hab. Was könnt mir geschehn? Nichts. Ich würde freigesprochen werden. Begreifen Sie das?«
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, daß ich das vollkommen begreif.«
»Fangen Sie nicht wieder mit Ihren Blödheiten an, Schwejk, oder es geschieht wirklich etwas. Endlich werden wir Ihnen das Handwerk legen. Sie haben Ihre Blödheiten ins unendliche gesteigert, bis alles zu einer Katastrophe herangereift ist.«
Oberleutnant Lukasch rieb sich die Hände. »Es ist aus mit Ihnen, Schwejk.« Er kehrte zu seinem Tisch zurück, schrieb |301| auf ein Stückchen Papier einige Zeilen, rief den Wachposten vor der Kanzlei und befahl ihm, Schwejk zum Profosen zu führen und diesem das Schreiben zu übergeben.
Man führte Schwejk über den Hof ab, und der Oberleutnant schaute mit unverhohlener Freude zu, wie der Profos die Türe mit der schwarzgelben Tafel: »Regimentsarrest« öffnete, wie Schwejk hinter dieser Tür verschwand und wie bald darauf der Profos allein aus dieser Türe trat.
»Gott sei Dank«, sagte der Oberleutnant laut, »er ist schon drin.«
In dem dunklen Raum des Hungerturmes der Marienkaserne begrüßte Schwejk herzlich ein dicker Einjährigfreiwilliger, der sich auf einem Strohsack wälzte. Er war der einzige Arrestant und langweilte sich schon den zweiten Tag allein. Auf Schwejks Frage, warum er sitze, erwiderte er: »Wegen einer Kleinigkeit.« Er hatte irrtümlich einen Leutnant von der Artillerie in der Nacht auf dem
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