Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
und nicht sechs Wochen.«
»Sein Sie nicht so grausam«, ergriff der Einjährigfreiwillige das Wort, »und denken Sie lieber an Ihr Ende. Gerade jetzt hat Ihnen die Inspektion gesagt, daß Sie zum Rapport gehn werden. Auf so etwas sollten Sie sich sehr vorbereiten und über die letzten Dinge eines Korporals nachdenken. Was sind Sie eigentlich gegen das Weltall, wenn Sie bedenken, daß der uns nächste Fixstern von diesem Militärzug 275 000 mal weiter entfernt ist als die Sonne und daß seine Parallaxe erst so eine Bogensekunde bilden kann. Würden Sie sich als Fixstern im Weltall befinden, wären Sie entschieden zu unbedeutend, als daß man Sie mit den besten astronomischen Instrumenten wahrnehmen könnte. Für unsere Unbedeutendheit im Weltall gibt es keinen Begriff. In einem halben Jahr würden Sie so einen kleinen Bogen beschreiben, in einem Jahr eine kleine Ellipse, die sich überhaupt nicht mit Ziffern ausdrücken läßt, so unbedeutend wäre sie. Ihre Parallaxe wäre nicht meßbar.«
»In so einem Falle«, bemerkte Schwejk, »könnt der Herr Korporal stolz darauf sein, daß ihn niemand ausmessen kann, und solls mit ihm beim Rapport ausfalln wie immer, er muß ruhig sein und darf sich nicht aufregen, weil jede Aufregung der Gesundheit schadet, und jetzt im Krieg muß sich jeder Gesunde schonen, weil die Kriegsstrapazen von jedem einzelnen fordern, daß er kein Krepierl is.
Wenn man Sie einsperren wird, Herr Korporal«, fuhr Schwejk |359| mit freundlichem Lächeln fort, »wenn man Ihnen eine Kränkung zufügen wird, dürfen Sie nicht den Verstand verlieren, und wenn die andern sich ihren Teil denken, denken Sie sich auch Ihren Teil. So wie ein Kohlenmann, den ich gekannt hab, ein gewisser Franz Schkwor, was mit mir am Anfang des Kriegs auf der Polizeidirektion in Prag wegen Hochverrat eingesperrt war und später vielleicht wegen der sogenannten pragmatischen Sanktion auch gehängt worn is. Wie man diesen Menschen beim Verhör gefragt hat, ob er Einwände gegen das Protokoll hat, hat er gesagt: ›Wenns auch war, wies halt war, irgendwie wars, denn noch nie wars, daß es nicht irgendwie war.‹
Dann hat man ihn dafür in eine Dunkelzelle gesteckt und ihm zwei Tage nichts zu essen und zu trinken gegeben und hat ihn wieder zum Verhör geführt, und er hat immerfort gesagt: ›Wenns auch war, wies halt war, irgendwie wars, denn noch nie wars, daß es nicht irgendwie war.‹ Kann sein, daß er damit auch untern Galgen gegangen is, wie sie ihn dann zum Militärgericht gebracht ham.«
»Jetzt hängt man und erschießt man ihrer herich viel«, sagte einer von der Eskorte, »unlängst hat man uns am Exerzierplatz einen Befehl vorgelesen, daß man in Motol den Reservisten Kudrna erschossen hat, weil der Hauptmann seinem Buben einen Säbelhieb versetzt hat, wie seine Frau am Bahnhof in Beneschau von ihm Abschied nehmen wollt. Sie hat den Buben am Arm gehabt, und er war furchtbar aufgeregt. Und politische Leute sperrt man überhaupt ein. Auch einen Redakteur in Mähren ham sie erschossen. Und unser Hauptmann hat gesagt, daß es auf die übrigen noch wartet.«
»Alles hat seine Grenzen«, sagte der Einjährigfreiwillige zweideutig.
»Da ham Sie recht«, ließ sich der Korporal vernehmen, »sol chen Redakteuren geschieht recht. Sie wiegeln nur das Volk auf. Wie vorvoriges Jahr, wie ich noch Gefreiter war, da hat unter mir ein Redakteur gedient, und der hat mich nicht anders genannt als Verderbnis der Armee, aber wie ich ihn Gelenksübungen gelernt hab, bis er geschwitzt hat, hat er immer gesagt: ›Ich bitte, daß Sie den Menschen in mir achten.‹ Ich hab |360| ihm aber beim ›Nieder‹, wenn viele Pfützen am Kasernenhof waren, gezeigt, was ein Mensch is. Ich hab ihn vor so eine Pfütze geführt, und der Kerl hat hineinfalln müssen, daß das Wasser gespritzt is wie auf der Schwimmschul. Und nachmittags hat schon wieder alles an ihm blitzen müssen, die Montur hat sauber sein müssen wie Glas, und er hat geputzt und geächzt und Bemerkungen gemacht, und am nächsten Tag war er wieder wie eine Sau, was sich im Morast gewälzt hat, und ich bin über ihm gestanden und hab ihm gesagt: ›So, Herr Redakteur, was is mehr, das Verderbnis der Armee oder Ihr Mensch?‹ Das war ein richtiger Intelligenzler.«
Der Korporal blickte siegesbewußt auf den Einjährigfreiwilligen und fuhr fort: »Er hat grad wegen seiner Intelligenz die Einjährigfreiwilligenstreifen verloren, weil er in die Zeitung über Soldatenmißhandlungen
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