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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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denselben Erscheinungen begleitet wie das Erwachen des jungen Riesen Gargantua, das der alte lustige Rabelais schilderte.
    Der Oberfeldkurat furzte und rülpste auf der Bank und gähnte dröhnend übers ganze Maul. Schließlich setzte er sich und fragte verwundert: »Kruzilaudon, wo bin ich da?«
    Als der Korporal das Erwachen des hohen Herrn sah, antwortete er sehr devot: »Melde gehorsamst, Herr Oberfeldkurat, daß Sie sich im Arrestantenwagen zu befinden geruhen.«
    Ein Blitz des Erstaunens huschte über das Gesicht des Feldkuraten. Er saß eine Weile stumm und dachte angestrengt nach. Vergeblich. Über das, was er in der Nacht und am Morgen erlebt hatte, sowie über das Erwachen im Waggon, dessen Fenster mit Gittern versehen waren, breitete sich ein Meer der Undeutlichkeit.
    Schließlich fragte er den Korporal, der noch immer devot vor ihm stand: »Und auf wessen Befehl, ich als …«
    »Melde gehorsamst, ohne Befehl, Herr Oberfeldkurat.«
    Der Pater erhob sich, fing an, zwischen den Bänken auf und ab zu gehen, und murmelte vor sich hin, daß ihm das unklar sei.
    |363| Er setzte sich wieder mit den Worten: »Wohin fahren wir eigentlich?«
    »Melde gehorsamst, nach Bruck!«
    »Und warum fahren wir nach Bruck?«
    »Melde gehorsamst, daß unser ganzes 91. Regiment hin versetzt ist.«
    Der Pater begann abermals angestrengt nachzudenken, was eigentlich mit ihm geschehen sei, wie er in den Waggon geraten sei, warum er eigentlich nach Bruck fahre und wieso gerade mit dem 91. Regiment in Begleitung einer Eskorte.
    Er war bereits aus seinem Kater erwacht, so daß er sogar den Einjährigfreiwilligen unterscheiden konnte, weshalb er sich an ihn mit der Frage wandte: »Sie sind ein intelligenter Mensch, können Sie mir ohne Umstände erklären, ohne etwas zu verschweigen, wie ich zu euch gekommen bin?«
    »Sehr gern«, sagte der Einjährigfreiwillige in kameradschaftlichem Ton. »Sie haben sich uns einfach früh auf dem Bahnhof beim Einsteigen angeschlossen, weil Sie einen schweren Kopf hatten.«
    Der Korporal blickte ihn streng an.
    »Sie sind zu uns in den Waggon gekrochen«, fuhr der Einjährigfreiwillige fort, »und schon war die Sache perfekt. Sie haben sich auf die Bank gelegt, und hier der Schwejk hat Ihnen seinen Mantel unter den Kopf geschoben. Bei der Zugkontrolle auf der vorigen Station sind Sie ins Verzeichnis der im Zug befindlichen Offiziere eingetragen worden. Sie sind, wenn ich so sagen darf, amtlich entdeckt, und unser Korporal wird deshalb zum Rapport gehn.«
    »So, so«, seufzte der Pater, »da sollt ich also auf der nächsten Station in den Stabswaggon steigen. Wissen Sie nicht, ob man schon das Mittagmahl verabreicht hat?«
    »Gemittagmahlt wird erst in Wien, Herr Oberfeldkurat«, meldete sich der Korporal zu Wort.
    »Sie haben mir also den Mantel unter den Kopf geschoben?« wandte sich der Pater an Schwejk. »Ich danke Ihnen herzlichst.«
    »Ich verdien keinen Dank nicht«, antwortete Schwejk, »ich |364| hab so gehandelt, wie jeder Mensch handeln soll, wenn er sieht, daß sein Vorgesetzter nichts unterm Kopf hat und daß er dingsda is. Jeder Soldat soll seinen Vorgesetzten schätzen, sogar wenn er in andern Umständen is. Ich hab große Erfahrungen mit Feldkuraten, weil ich beim Herrn Feldkurat Otto Katz Bursch war. Es is ein lustiges Volk und gutherzig.«
    Der Oberfeldkurat bekam infolge des Katers einen Anfall von Demokratie, zog eine Zigarette heraus und reichte sie Schwejk: »Rauch und paff!«
    »Du wirst herich meinetwegen zum Rapport gehn«, wandte er sich an den Korporal, »fücht dich nicht, ich hau dich schon heraus, nichts wird dir geschehn.«
    »Und dich«, sagte er zu Schwejk, »nehm ich mit. Du wirst bei mir leben wie im Steckkissen.«
    Er bekam abermals einen Anfall von Großmut und behauptete, daß er allen etwas Gutes erweisen werde: dem Einjährigfreiwilligen werde er Schokolade kaufen, den Männern aus der Eskorte Rum, den Korporal werde er in die Photographenabteilung des Stabes der 7. Reiterdivision versetzen lassen, alle werde er erlösen und sie niemals vergessen.
    Er zog Zigaretten aus der Tasche und begann sie an alle, nicht nur an Schwejk, zu verschenken; dabei verkündete er, daß er allen Arrestanten zu rauchen gestatte und dafür sorgen werde, daß man ihre Strafe mildere und sie wieder dem normalen militärischen Leben zurückgebe.
    »Ich will nicht«, sagte er, »daß ihr euch meiner im Bösen erinnert. Ich habe viele Bekanntschaften, und mit mir seid ihr nicht verloren.

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