Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
sehr wichtige Angelegenheit, Schwejk«, fuhr er fort. »Vorsicht schadet nie, und deshalb steht, wie Sie sehn, keine Adresse drauf. Ich verlaß mich vollständig auf Sie, daß Sie den Brief richtig abgeben. Notieren Sie sich noch, daß die Dame Etelka heißt, schreiben Sie sich auf ›Frau Etelka Kakonyi‹. Ich sag Ihnen noch, daß Sie den Brief unter allen Umständen diskret überreichen und auf Antwort warten müssen. Daß Sie auf Antwort warten solln, das steht schon im Brief. Was wolln Sie noch?«
»Wenn sie mir keine Antwort geben möchte, Herr Oberlajtnant, was soll ich machen?«
»Dann werden Sie sie daran erinnern, daß ich um jeden Preis Antwort bekommen muß«, antwortete der Oberleutnant, neuerdings über das ganze Gesicht gähnend, »jetzt geh ich aber schon schlafen, ich bin heut wirklich müde. Was ich nur zammgetrunken hab. Ich denke, jeder wär so müde nach so einem Abend und so einer Nacht.«
Oberleutnant Lukasch hatte ursprünglich nicht die Absicht gehabt, lange auszubleiben. Er war gegen Abend aus dem Lager in die Stadt gegangen, um das magyarische Theater in Királyhida zu besuchen. Man spielte eine magyarische Operette, deren Hauptrollen mit mollerten jüdischen Schauspielerinnen besetzt waren, deren fabelhafter Vorzug darin bestand, daß sie beim Tanzen die Beine in die Höhe warfen und weder Trikots noch Hosen anhatten. Der größeren Attraktionskraft auf die Offiziere zulieb rasierten sie sich unten aus wie die Tatarinnen. Die Galerie hatte davon allerdings keinen Genuß, einen um so größeren aber die Artillerieoffiziere, die unten im Parkett saßen und dieses schönen Anblicks halber ins Theater ihre Artillerietrieder mitnahmen.
Oberleutnant Lukasch interessierte diese interessante Schweinerei jedoch nicht, denn der ausgeborgte Operngucker war nicht achromatisch, und Lukasch erblickte statt der Schenkel nur wakckelnde violette Flächen.
In der Pause nach dem ersten Akt fesselte ihn eher eine |379| Dame, die einen Herrn in mittleren Jahren, der sie begleitete, zur Garderobe zog und ihm erklärte, daß sie sofort nach Hause gehen und solche Sachen nicht mit ansehen werde. Das sagte sie ziemlich laut in deutscher Sprache, worauf ihr Begleiter auf magyarisch erwiderte: »Ja, Engelchen, wir gehn, ich bin einverstanden. Es ist wirklich eine geschmacklose Sache.«
»Es ist ekelhaft«, antwortete die Dame entrüstet, als der Herr ihr den Abendmantel umwarf. Ihre Augen loderten dabei vor Aufregung über diese Unverschämtheit, große, schwarze Augen, die so gut zu ihrer schönen Gestalt paßten. Sie schaute dabei Oberleutnant Lukasch an und wiederholte noch einmal energisch: »Ekelhaft, wirklich ekelhaft!« Das war entscheidend für einen kurzen Roman.
Die Informationen der Garderobiere gingen dahin, daß es sich um das Ehepaar Kakonyi handle. Der Herr habe in der Sopronyi utca Nummer 16 ein Eisengeschäft.
»Und wohnt mit Frau Etelka im ersten Stock«, sagte die Garderobiere mit der Genauigkeit einer alten Kupplerin, »sie ist eine Deutsche aus Sopron, und er ist Magyar; hier ist alles durcheinandergemischt.«
Oberleutnant Lukasch nahm ebenfalls seinen Mantel aus der Garderobe und ging in die Stadt, wo er in der großen Weinstube »Zum Erzherzog Albrecht« mit einigen Offizieren vom 91. Regiment zusammentraf.
Er sprach nicht viel und trank desto mehr. Dabei kombinierte er, was er der strengen, moralischen, hübschen Dame, die ihn entschieden mehr anzog als all die Affen auf der Bühne – wie die andern Offiziere sie bezeichneten –, eigentlich schreiben solle.
Überaus gut gelaunt, begab er sich dann in das kleine Kaffeehaus »Zum Kreuz des heiligen Stephan«, zog sich in ein kleines Chambre séparée zurück, jagte eine Rumänin davon, die sich erbötig machte, sich nackt auszuziehen, worauf er mit ihr machen könne, was er wolle, bestellte Tinte, Feder, Briefpapier und eine Flasche Kognak und schrieb nach bedächtiger Erwägung folgenden Brief, der ihm der schönste zu sein schien, den er jemals geschrieben hatte:
|380| »Gnädige Frau!
Ich war gestern im Stadttheater bei dem Stück zugegen, das Sie so entrüstet hat. Ich habe Sie schon während des ganzen ersten Aktes beobachtet, Sie und Ihren Herrn Gemahl. Wie ich bemerkt habe …«
Nur los auf ihn, sagte sich Oberleutnant Lukasch, welches Recht hat dieser Kerl, so eine reizende Frau zu haben. Er sieht ja aus wie ein rasierter Pavian.
Er fuhr fort: »… hat Ihr Herr Gemahl mit größtem Verständnis die Obszönitäten
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