Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
heißen Sie?«
Mikulaschek schwieg. Lukasch zog einen Stuhl vor den auf dem Tisch sitzenden Mikulaschek, setzte sich, schaute zu ihm hinauf und sagte: »Schwejk, bringen Sie mir aus dem Koffer den Dienstrevolver.«
Während Schwejk im Koffer suchte, schwieg Mikulaschek |376| unentwegt und blickte nur entsetzt den Oberleutnant an. Wenn es ihm in diesen Augenblicken klar wurde, daß er auf dem Tisch saß, versetzte ihn dies bestimmt in eine noch größere Verzweiflung, denn seine Füße berührten die Knie des sitzenden Oberleutnants.
»Holla, wie heißen Sie, Menschenskind?« rief der Oberleutnant zu Mikulaschek hinauf.
Der aber schwieg beharrlich. Wie er später erklärte, hatte ihn bei dem unverhofften Eintritt des Oberleutnants eine Art Lähmung befallen. Er wollte hinunterspringen und konnte nicht, wollte antworten und konnte nicht, wollte aufhören zu salutieren, aber es ging nicht.
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant«, meldete sich Schwejk, »daß der Revolver nicht geladen is.«
»Also laden Sie ihn, Schwejk!«
»Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, daß wir keine Patronen ham und daß man den da sicher schwer vom Tisch herunterschießen können wird. Ich erlaube mir zu bemerken, Herr Oberlajtnant, daß es der Mikulaschek is, der Bursch vom Herrn Major Wenzl. Der verliert immer die Sprache, wenn er jemanden von den Herrn Offizieren sieht. Er schämt sich, überhaupt zu sprechen. Es is überhaupt, wie ich sag, so ein blödes grünes Füllen. Der Herr Major Wenzl läßts immer am Gang stehn, wenn er in die Stadt geht, und es treibt sich mit Ach und Krach bei den andern Burschen in den Baracken herum. Wenns noch einen Grund hätt, so zu erschrecken, aber es hat ja eigentlich nichts angestellt.«
Schwejk spuckte aus, und seiner Stimme sowie dem Umstand, daß er von Mikulaschek im sächlichen Geschlecht sprach, merkte man seine vollständige Verachtung der Feigheit und des unmilitärischen Betragens seines Kollegen an.
»Erlauben Sie«, fuhr Schwejk fort, »daß ich zu ihm rieche.«
Schwejk zog den unaufhörlich idiotisch auf den Oberleutnant schauenden Mikulaschek vom Tisch, stellte ihn auf den Boden und roch zu seinen Hosen.
»Noch nicht«, verkündete er, »aber es fängt schon an. Soll ich ihn hinauswerfen?«
|377| »Werfen Sie ihn hinaus, Schwejk.«
Schwejk führte den zitternden Mikulaschek auf den Gang, schloß hinter sich die Türe zu und sagte ihm: »Ich hab dir also das Leben gerettet, du blöder Kerl. Daß du mir dafür still eine Flasche Wein bringst, bis der Herr Major zurückkommt. Spaß beiseite. Ich hab dir wirklich das Leben gerettet. Wenn mein Oberleutnant besoffen is, so is es schlimm, mit dem verstehs nur ich und kein anderer.«
»Ich bin …«
»Ein Furz bist du«, drückte sich Schwejk verächtlich aus, »sitz auf der Schwelle und wart, bis dein Major zurückkommt.«
»Daß Sie endlich kommen«, wurde Schwejk von Oberleutnant Lukasch empfangen, »ich will mit Ihnen sprechen. Sie müssen nicht wieder so blöd Habtacht stehn – setzen Sie sich, Schwejk, und lassen Sie sich das: ›Zu Befehl!‹ Halten Sie das Maul und passen Sie gut auf! Wissen Sie, wo in Királyhida die Sopronyi utca ist? Lassen Sie sich schon endlich mal Ihr: ›Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, ich weiß es nicht.‹ Wenn Sies nicht wissen, so sagen Sie: ›Ich weiß nicht‹, und basta. Schreiben Sie sich auf ein Stückchen Papier auf: ›Sopronyi utca, Nummer 16‹. In dem Haus ist ein Eisengeschäft. Wissen Sie, was das ist, ein Eisengeschäft? Herrgott, sagen Sie nicht: ›Melde gehorsamst.‹ Sagen Sie: ›Ich weiß‹ oder ›Ich weiß nicht.‹ Wissen Sie also, was ein Eisengeschäft ist? Sie wissen es, gut. Der Laden gehört einem Magyaren, einem gewissen Kakonyi. Wissen Sie, was das ist, ein Magyar? Also Himmelherrgott, wissen Sies oder wissen Sies nicht? Sie wissen es, gut. Oben über dem Laden ist der erste Stock, und dort wohnt er. Wissen Sie davon? Sie wissen es nicht, Kruzifix, ich sag Ihnen also, daß er dort wohnt. Genügt Ihnen das? Es genügt Ihnen, gut. Wenn es Ihnen nicht genügen sollte, laß ich Sie einsperren. Haben Sie sich notiert, daß der Kerl Kakonyi heißt? Gut, also Sie werden morgen früh ungefähr um zehn Uhr in die Stadt hinuntergehn, das Haus finden und in den ersten Stock hinaufgehn und Frau Kakonyi diesen Brief übergeben.«
Oberleutnant Lukasch öffnete die Brusttasche und gab |378| Schwejk gähnend einen weißen Briefumschlag ohne Adresse in die Hand.
»Es ist eine
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