Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
betrachtet, die auf der Bühne vor sich gingen und bei Ihnen, gnädige Frau, Abscheu erweckten, weil das keine Kunst war, sondern eine ekelhafte Spekulation auf die intimsten Gefühle des Menschen.«
Das Weib hat einen Busen, dachte Oberleutnant Lukasch, nur frisch drauflos!
»Verzeihen Sie, gnädige Frau, daß ich, ohne daß Sie mich kennen, trotzdem aufrichtig zu Ihnen bin. Ich habe in meinem Leben viele Frauen gesehen, aber keine hat auf mich so einen Eindruck gemacht wie Sie, denn Ihr Urteil und Ihre Lebensanschauung stimmen vollkommen mit meinen Anschauungen überein. Ich bin überzeugt, daß Ihr Herr Gemahl ein krasser Egoist ist, der Sie mit sich schleppt …«
Das geht nicht, sagte sich Oberleutnant Lukasch, strich das »mit sich schleppt« durch und schrieb statt dessen: »… der Sie, gnädige Frau, in seinem Interesse zu Theateraufführungen mitnimmt, die einzig und allein seinem Geschmack entsprechen. Ich liebe die Aufrichtigkeit. Ich will mich durchaus nicht in Ihr Privatleben drängen und wünsche nur, mit Ihnen privat über reine Kunst sprechen zu können …«
Hier in den Hotels wirds nicht gehn, ich werde sie nach Wien mitnehmen müssen, dachte der Oberleutnant noch, ich werde mir einen kleinen Urlaub nehmen.
»Deshalb wage ich es, gnädige Frau, Sie um eine Zusammenkunft zu bitten, damit wir uns in allen Ehren näher kennenlernen. Sie werden dies gewiß nicht einem Menschen verwehren, dessen in kürzester Zeit der traurige Frontdienst harrt und der für den Fall Ihrer liebenswürdigen Zustimmung im Schlachtgetümmel |381| die schönste Erinnerung an eine Seele bewahren wird, die ihn ebenso begriffen hat, wie er selbst sie begriff. Ihre Entscheidung wird mir ein Wink sein, Ihre Antwort ein entscheidender Augenblick in meinem Leben.«
Er setzte seinen Namen darunter, trank den Kognak aus und bestellte noch eine Flasche. Und während er ein Gläschen nach dem andern trank, weinte er beinahe nach jedem Satz, als er seine letzten Zeilen las.
Es war neun Uhr früh, als Schwejk Oberleutnant Lukasch weckte: »Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, daß Sie den Dienst verschlafen ham und ich schon mit Ihrem Brief nach Királyhida gehn muß. Ich hab Sie schon um sieben Uhr geweckt, dann um halb acht, dann um acht, wie man schon zur Übung vorbeimarschiert is, und Sie ham sich nur auf die andere Seite umgedreht, Herr Oberlajtnant … Hallo, Herr Oberlajtnant …!«
Oberleutnant Lukasch wollte sich nämlich, etwas vor sich hin murmelnd, wieder auf die Seite legen, was ihm nicht gelang, weil Schwejk ihn unbarmherzig rüttelte und brüllte: »Herr Oberlajtnant, ich geh mit dem Brief nach Királyhida.«
Der Oberleutnant gähnte. »Mit dem Brief? Ja, mit dem Brief, das ist eine diskrete Angelegenheit, verstehn Sie, ein Geheimnis zwischen uns. Abtreten …«
Der Oberleutnant wickelte sich abermals in die Decke, aus der Schwejk ihn herausgezogen hatte, und schlief wieder ein, während Schwejk nach Királyhida pilgerte.
Die Sopronyi utca Nummer 16 zu finden, wäre nicht so schwer gewesen, wenn er nicht zufällig dem alten Sappeur Woditschka begegnet wäre, der den »Steirerbuam« zugeteilt war, deren Kaserne unten im Lager stand. Woditschka hatte vor Jahren in Prag in »Na Bojischti« 7 gewohnt, und deshalb war es selbstverständlich, daß die beiden, als sie einander begegneten , beim »Schwarzen Lamm« in Bruck einkehrten, wo eine Bekannte von ihnen, namens Růženka, als Kellnerin angestellt war, eine Tschechin, bei der sämtliche tschechische Einjährigfreiwilligen, die im Lager waren, Schulden machten.
|382| In letzter Zeit spielte sich Sappeur Woditschka, ein alter Fuchs, als ihr Kavalier auf, führte alle Marschbataillone, die aus dem Lager abgingen, in Evidenz und mahnte die tschechischen Einjährigfreiwilligen zur rechten Zeit, um sie davon abzuhalten, im Kriegsgetümmel zu verschwinden, ohne ihre Schulden bezahlt zu haben.
»Wohin gehst du eigentlich?« fragte Woditschka, als sie zum erstenmal von dem guten Wein getrunken hatten.
»Das is ein Geheimnis«, antwortete Schwejk, »aber dir als altem Kameraden vertrau ichs an.«
Er erklärte ihm alles haarklein, und Woditschka sagte, er sei ein alter Sappeur und könne Schwejk nicht verlassen, und sie würden den Brief deshalb zusammen abgeben.
Sie unterhielten sich ausgezeichnet über verflossene Zeiten, und als sie nach zwölf Uhr aus dem »Schwarzen Lamm« traten, erschien ihnen alles natürlich und leicht.
Außerdem waren sie im Innern fest
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