Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
jemand gestorben«, sagte ein anderer Gast, worauf ein dritter hinzufügte: »Warens Begräbnisse erster Klasse?«
»Ich möcht gern wissen«, sagte Schwejk, »wie jetzt im Krieg die Militärbegräbnisse sein wern.«
Die Gäste erhoben sich, zahlten und gingen still davon. Schwejk blieb allein mit Frau Palivec.
»Das hab ich mir nicht gedacht«, sagte er, »daß sie einen unschuldigen Menschen zu zehn Jahren verurteilen wern. Daß sie einen unschuldigen Menschen zu fünf Jahren verurteilt ham, das hab ich schon gehört, aber zehn, das is bißl viel.«
»Wenn mein Alter gestanden hat!« weinte die Palivec. »Wie er das hier von den Fliegen gesagt hat und von dem Bild, so hat ers auch auf der Direktion und bei Gericht wiederholt. Ich war bei der Hauptverhandlung als Zeugin, aber was hab ich bezeugen können, wenn sie mir gesagt ham, daß ich in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu meinem Mann steh und daß ich mich der Zeugenschaft entschlagen kann. Ich hab mich so erschreckt über dieses verwandtschaftliche Verhältnis, damit draus vielleicht nicht was wird, so hab ich mich der Zeugenschaft entschlagen, und der arme Kerl hat mich so angeschaut, |51| mein Leben lang wer ich seine Augen nicht vergessen. Und dann, nach dem Urteil, wie man ihn abgeführt hat, hat er auf dem Gang geschrien, so blöd war er davon: ›Es lebe der Freie Gedanke 1 !‹«
»Und Herr Bretschneider geht nicht mehr her?« fragte Schwejk.
»Er war paarmal hier«, erwiderte die Wirtin, »hat ein oder zwei Biere getrunken, hat mich gefragt, wer hergeht und hat zugehört, wie die Gäste vom Fußball reden. Immer, wenn sie ihn sehn, reden sie nur vom Fußball. Und mit ihm hats gezuckt, als ob er jede Weile hätt toben und sich winden wolln. Während dieser ganzen Zeit is ihm nur ein einziger Tapezierer aus der Quergasse aufn Leim gegangen.«
»Es is Übungssache«, bemerkte Schwejk, »war der Tapezierer ein dummer Mensch?«
»Ungefähr wie mein Mann«, antwortete sie unter Tränen, »er hat ihn gefragt, ob er auf die Serben schießen möcht. Und da hat er ihm gesagt, daß er nicht schießen kann, daß er einmal bei einer Schießbude war und dort die Krone durchschossen hat. Dann hamr alle gehört, daß der Herr Bretschneider gesagt hat, wie er sein Notizbuch herausgezogen hat: ›Da schau her, wieder ein neuer hübscher Hochverrat!‹, und dann is er mit dem Tapezierer aus der Quergasse fortgegangen, und der is nicht mehr zurückgekommen.«
»Ja, ja, es wern ihrer viele nicht mehr zurückkommen«, sagte Schwejk, »geben Sie mir einen Rum.«
Schwejk ließ sich gerade zum zweitenmal Rum einschenken, als der Geheimpolizist Bretschneider die Wirtsstube betrat. Er warf einen hastigen Blick in den Ausschank und in das leere Lokal, setzte sich zu Schwejk, bestellte ein Bier und wartete, was Schwejk sagen würde.
Schwejk nahm eine Zeitung vom Ständer und bemerkte, während er die rückwärtige Inseratenseite betrachtete: »Na also, dieser Tschimpera in Straschkow Nummer 5, Post Ratschinewes, verkauft seine Wirtschaft mit dreizehn Strich eigenen Feldern, Schule und Bahn im Ort.«
|52| Bretschneider trommelte nervös mit den Fingern, drehte sich zu Schwejk herum und sagte: »Das wundert mich aber, daß Sie diese Wirtschaft interessiert, Herr Schwejk.«
»Ach, das sind Sie«, sagte Schwejk, indem er ihm die Hand reichte, »ich hab Sie nicht gleich erkannt, ich hab ein sehr schlechtes Gedächtnis. Zum letztenmal hamr uns, wenn ich mich nicht irr, in der Aufnahmskanzlei der Polizeidirektion gesehen. Was machen Sie denn seit der Zeit, kommen Sie oft her?«
»Ich bin heut Ihretwegen gekommen«, sagte Bretschneider, »mir wurde auf der Polizeidirektion mitgeteilt, daß Sie Hunde verkaufen. Ich brauche einen Rattler oder Spitz oder etwas Ähnliches.«
»Das kann ich Ihnen alles verschaffen«, antwortete Schwejk, »wünschen Sie ein reinrassiges Tier oder so einen Straßenköter?«
»Ich glaube«, entgegnete Bretschneider, »daß ich mich für ein reinrassiges Tier entscheiden werde.«
»Und wie wärs mit einem Polizeihund?« fragte Schwejk, »so einen, was gleich alles ausschnüffelt und auf die Spur des Verbrechens führt? Ein Fleischer in Wrschowitz hat einen, und er zieht ihm das Wagerl. Dieser Hund hat, wie man sagt, seinen Beruf verfehlt.«
»Ich möcht einen Spitz«, sagte Bretschneider mit ruhiger Hartnäckigkeit, »einen Spitz, der nicht beißt.«
»Wünschen Sie also einen zahnlosen Spitz?« fragte Schwejk, »ich weiß von einem. Ein
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