Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
jeder Mann, als im Lubkapaß die Menage an die Mannschaft verteilt wurde, in seiner Menageschale in der Portion Suppe zwei kleine Stückchen Fleisch fand, und der, welcher auf einem noch ärgern Planeten geboren worden war, nur ein Stückchen Haut.
In der Küche herrschte der gewohnte militärische Nepotismus, der allen gab, die der herrschenden Clique nahestanden. Die Putzflecke erschienen im Lubkapaß mit fetten Mäulern. Jede Ordonnanz hatte einen Bauch wie ein Stein. Es ereigneten sich himmelschreiende Dinge.
Einjährigfreiwilliger Marek verursachte bei der Küche einen Skandal, denn er wollte gerecht sein; als ihm der Koch mit der Bemerkung: »Das ist für unseren Geschichtsschreiber« eine tüchtige Scheibe gekochten Schlegel in die Suppe warf, erklärte er, daß unter der Mannschaft alle gleich sind, was allgemeinen Beifall erweckte und Ursache zur Beschimpfung der Köche gab.
Der Einjährige warf ein Stück Fleisch zurück, wobei er bekräftigte, daß er keine Protektion wünsche. In der Küche begriff man das jedoch nicht und meinte, der Bataillonsgeschichtsschreiber sei nicht zufrieden, und der Koch sagte ihm leise, er solle später kommen, bis die Menage verteilt sein werde, er werde ihm ein Stück Bein geben.
Den Schreibern glänzten gleichfalls die Mäuler, die Sanitäter schnaubten vor Wohlbehagen, und rings um diesen Segen Gottes waren noch überall die nicht vertilgten Spuren der letzten Kämpfe sichtbar. Überall wälzten sich Patronenhülsen, blecherne, leere Konservenbüchsen, Fetzen russischer, österreichischer und deutscher Uniformen, Teile zerbrochener Wagen, blutige lange Streifen von Gazeverbänden und Watte.
In eine alte Kiefer beim ehemaligen Bahnhof, von dem nur ein Haufen übriggeblieben war, war eine Granate geklemmt, die nicht explodiert war. Überall sah man Granatsplitter, und irgendwo in unmittelbarer Nähe hatte man offenbar Soldatenleichen |629| begraben, denn es roch hier fürchterlich nach Verwesung.
Und wie die Truppen hier vorbeigekommen waren und ringsumher gelagert hatten, waren überall Häuflein von Menschenkot internationalen Ursprungs aller Völker Österreichs, Deutschlands und Rußlands sichtbar. Der Kot der Soldaten aller Nationen und aller religiösen Bekenntnisse lag hier nebeneinander oder türmte sich in Haufen aufeinander, ohne daß sich diese Haufen untereinander gestritten hätten.
Eine halbzerdroschene Zisterne, die hölzerne Bude eines Eisenbahnwärters und überhaupt alles, was irgendeine Wand hatte, war von Gewehrprojektilen durchlöchert wie ein Sieb.
Um den Eindruck der Kriegsfreuden zu vervollständigen, stieg hinter dem unfernen Berg Rauch empor, als brenne dort ein ganzes Dorf, das den Mittelpunkt großer militärischer Operationen bildete. Man verbrannte dort die Cholera- und Dysenteriebaracken, zur großen Freude jener Herren, die mit der Einrichtung jenes Spitals unter dem Protektorat der Erzherzogin Marie zu tun hatten und dabei gestohlen und sich durch Vorlegung von Rechnungen für nichtexistierende Cholera- und Dysenteriebaracken die Taschen gefüllt hatten.
Jetzt trugs eine Barackengruppe für alle übrigen davon, und im Gestank der brennenden Strohsäcke hob sich die ganze Dieberei des erzherzoglichen Protektorats gen Himmel.
Hinter dem Bahnhof auf einem Felsen hatten sich bereits die Reichsdeutschen beeilt, den gefallenen Brandenburgern ein Denkmal zu errichten, das die Aufschrift »Den Helden vom Lubkapaß« und ein großer, aus Bronze gegossener Reichsadler schmückte, wobei man auf dem Postament ausdrücklich vermerkt hatte, daß dieses Abzeichen aus russischen Kanonen angefertigt sei, die bei der Befreiung der Karpaten durch reichsdeutsche Regimenter erobert worden waren.
In dieser merkwürdigen und bisher ungewohnten Atmosphäre rastete das Bataillon nach dem Mittagessen in den Waggons, während sich Hauptmann Sagner mit dem Bataillonsadjutanten noch immer nicht über das Chiffre-Telegramm des Brigadekommandos bezüglich des weiteren Vorrückens des |630| Bataillons einigen konnte. Die Angaben waren so unklar, daß es den Anschein hatte, als hätten sie gar nicht in den Lubkapaß kommen und von Neustadt in ganz anderer Richtung fahren sollen, denn in den Telegrammen war irgendwie die Rede von den Orten: »Cap-Ungvar, Kis-Berezna – Uczok.«
Binnen zehn Minuten zeigte es sich, daß der im Brigadestab sitzende Stabsoffizier ein Tolpatsch war, denn ein Chiffre-Telegramm langt an, in dem gefragt wird, ob es sich um das 8.
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