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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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Haut und Knochen. Er verlangte für sie eine horrende Summe, raufte sich den Bart und schwur, daß sie so eine Kuh in ganz Galizien, in ganz Österreich und Deutschland, in ganz Europa und in der ganzen Welt nicht finden würden; dabei winselte, weinte und beteuerte er, daß es die dickste Kuh sei, die jemals auf Befehl Jehovas auf die Welt gekommen war. Er schwur bei allen Patriarchen, daß sich diese Kuh Leute bis aus Wolocziska anschauen kämen, daß man von dieser Kuh im ganzen Umkreis wie von einem Wunder spreche, daß es nicht einmal eine Kuh sei, sondern der saftigste Büffel. Zum Schluß kniete er vor ihnen nieder und rief, während er der Reihe nach ihre Knie umschlang: »Erschlagt lieber einen alten, armen Juden, aber geht nicht fort ohne Kuh.«
    Er verwirrte alle dermaßen mit seinem Gekreisch, daß sie schließlich dieses Luder, vor dem sich jeder Schlächter geekelt hätte, zur Feldküche schleppten. Dann, als er das Geld bereits längst in der Tasche hatte, weinte und jammerte er ihnen vor, sie hätten ihn vollständig zugrunde gebracht und vernichtet, er habe sich selbst zum Bettler gemacht, weil er ihnen eine so herrliche Kuh so billig verkauft habe. Er bat sie, ihn dafür aufzuhängen, daß er auf die alten Tage so eine Dummheit gemacht habe, derentwillen sich seine Väter im Grabe umdrehen müßten.
    Nachdem er sich noch vor ihnen im Staub gewälzt hatte, schüttelte er plötzlich alles Leid von sich ab und ging nach Hause, wo er in der Kammer zu seiner Frau sagte: »Elseleben, die Soldaten sind dumm, und dein Nathan ist sehr gescheit.« Die Kuh gab viel Arbeit. Manchmal schien es, als würde man ihr die Haut überhaupt nicht abziehen können. Einigemal riß die Haut, und unter ihr kamen die Muskeln zum Vorschein, die gekrümmt waren wie ein ausgetrocknetes Schiffsseil.
    Inzwischen schleppte man von irgendwoher einen Sack Kartoffeln herbei und fing hoffnungslos an, diese Sehnen und Knochen zu kochen, während der Koch daneben, bei der kleineren Küche, in wahrer Verzweiflung aus einem Stück dieses Skeletts die Offiziersmenage zubereitete.
    |684| Die unglückliche Kuh, wenn man diese Naturerscheinung überhaupt Kuh nennen konnte, blieb allen Teilnehmern lebhaft in Erinnerung, und man kann nahezu als sicher annehmen, daß die 11. Kompanie, wenn die Kommandanten vor der Schlacht bei Sokal die Mannschaft an die Kuh von Liscowiec erinnert hätten, unter fürchterlichem Wutgebrüll mit dem Bajonett auf den Feind losgestürmt wäre.
    Die Kuh war so unverschämt, daß man aus ihr überhaupt keine Rindssuppe machen konnte. Je länger das Fleisch kochte, desto fester blieb es an den Knochen haften; es verwuchs mit ihnen zu einem Ganzen und verknöcherte wie ein Bürokrat, der ein halbes Leben lang zwischen Amtsschimmeln weidet und nur Akten frißt.
    Schwejk, der als Kurier eine dauernde Verbindung zwischen Stab und Küche unterhielt, um festzustellen, wann abgekocht sein werde, meldete schließlich Oberleutnant Lukasch: »Herr Oberlajtnant, es is schon Porzellan draus. Die Kuh hat so hartes Fleisch, daß man damit Glas schneiden kann. Der Koch Pawlitschek hat sich, wie er mit Baloun das Fleisch gekostet hat, einen Vorderzahn herausgebrochen und Baloun einen Backenzahn.«
    Baloun trat ernst vor Oberleutnant Lukasch und reichte ihm stotternd seinen in ein »Lourder Lied« gewickelten Backenzahn.
    »Melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, daß ich gemacht hab, was ich konnt. Nämlich der Zahn is bei der Offiziersmenage herausgebrochen, wie wir probiert ham, ob man ausn Fleisch doch ein Bifstek machen könnt.«
    Bei diesen Worten erhob sich aus dem Lehnstuhl beim Fenster irgendeine traurige Gestalt. Es war Leutnant Dub, den man als völlig vernichteten Menschen in einem Sanitätskarren hergebracht hatte. »Bitte um Ruhe«, sagte er mit verzweifelter Stimme, »mir ist schlecht!«
    Er setzte sich abermals in den alten Lehnstuhl, wo sich in jeder Ritze Tausende Wanzeneier befanden.
    »Ich bin müde«, sagte er mit tragischer Stimme, »ich bin leidend und krank, ich bitte, daß man vor mir nicht von herausgebrochenen |685| Zähnen spricht. Meine Adresse ist: Smíchov, Königsstraße 18. Wenn ich den Morgen nicht erleben sollte, bitte ich, daß man meine Familie von allem schonend benachrichtigt und nicht vergißt, auf meinem Grab zu vermerken, daß ich vor dem Kriege auch k. k. Gymnasialprofessor war.«
    Er fing leise zu schnarchen an und hörte nicht mehr, wie Schwejk den Vers aus einem Totenliede sprach:
    Marien hast

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