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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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Schwelle stand bereits der Vorsteher mit einem Licht; als er diese Szene sah, bekreuzigte er sich und quietschte: »Die Moskowiter ham requiriert, und jetzt requirieren auch unsere Leute.«
    Alle begaben sich ins Dorf, begleitet von einer Hundemeute, die sich am hartnäckigsten rings um Baloun sammelte und auf seine Taschen loszog, wo Baloun ein Stück Speck versteckt |681| hatte, den er gleichfalls in der Speisekammer erobert, aber aus Gefräßigkeit verräterisch vor den Kameraden verheimlicht hatte.
    »Was laufen dir die Hunde so nach?« fragte Schwejk. Baloun antwortete nach längerer Überlegung: »Sie spüren in mir einen guten Menschen.«
    Er sagte jedoch nicht, daß er in der Hand in der Tasche ein Stück Speck hielt und daß der eine Hund fortwährend mit den Zähnen nach seiner Hand schnappte …
    Auf dem Rundgang für die Einquartierung wurde festgestellt, daß Liskowiec ein großes, durch die Kriegswirren allerdings bereits gehörig ausgepreßtes Dorf war. Es hatte zwar keine Brandschäden erlitten, beide kriegführenden Parteien hatten es wie durch ein Wunder nicht in die Sphäre der Kriegsoperationen einbezogen, dafür aber hatten sich hier die Bewohner der benachbarten vernichteten Dörfer Chyrów, Grabow und Holubla angesiedelt.
    In mancher Hütte lebten oft acht Familien in der größten Not; es war ihre letzte Zuflucht nach all den Verlusten, die sie durch den räuberischen Krieg erlitten hatten, von dem eine Epoche über sie hinweggetost war wie die wilden Ströme einer Überschwemmung.
    Die Kompanie mußte in einer kleinen verwüsteten Spiritusbrennerei am andern Ende des Dorfes untergebracht werden, wo eine Hälfte der Mannschaft in der Gärkammer Platz finden konnte. Die übrigen wurden zu je zehn Mann in einigen Höfen untergebracht, wo die reichen Bauern das arme Gesindel der an den Bettelstab gebrachten Obdachlosen nicht aufgenommen hatten.
    Der Kompaniestab mit allen Offizieren samt Rechnungsfeldwebel Wanĕk, Offiziersburschen, Telefonisten, Sanität, Köchen und Schwejk quartierte sich in der Pfarre beim Herrn Pfarrer ein, der ebenfalls keine einzige zugrunde gerichtete Familie aus der Umgebung bei sich aufgenommen hatte, so daß Raum genug da war.
    Er war ein hochgewachsener, magerer alter Herr in einer verblaßten und fettigen Soutane und aß vor lauter Geiz beinahe |682| nicht. Sein Vater hatte ihn in großem Haß gegen die Russen erzogen, einem Haß, den er plötzlich verlor, als die Russen zurückwichen und das österreichische Militär kam, das ihm alle Gänse und Hennen auffraß, die die Russen unbehelligt gelassen hatten, solange einige struppige Baikalkosaken bei ihm wohnten. Dann, als die Ungarn ins Dorf kamen und ihm allen Honig aus den Bienenkörben nahmen, steigerte sich sein Groll gegen das österreichische Militär noch mehr. Jetzt betrachtete er haßerfüllt seine unverhofften nächtlichen Gäste, und es tat ihm sehr wohl, wenn er an einem vorübergehn, die Achseln zucken und wiederholen konnte: »Ich habe nichts. Ich bin ein Bettler. Sie finden bei mir nicht einmal ein Stückchen Brot, meine Herren.«
    Am traurigsten von allen war freilich Baloun zumute, der ob so einer Not beinahe in Tränen ausbrach. Im Kopf hatte er fortwährend die unklare Vorstellung von einem Spanferkel, dessen Haut wie Marzipan knusperte und duftete. Jetzt schlummerte er sitzend in der Küche des Herrn Pfarrers, wohin von Zeit zu Zeit ein aufgeschossener junger Bursch blickte, der dem Pfarrer gleichzeitig als Knecht und Köchin diente und den strengen Befehl hatte, überall aufzupassen, damit nicht gestohlen werde.
    Baloun fand auch in der Küche nichts als auf dem Salzfaß ein wenig in Papier gewickelten Kümmel, den er sich in den Mund stopfte und dessen Aroma in ihm die Geschmackshalluzination eines Spanferkels erweckte.
    Auf dem Hof der kleinen Spiritusbrennerei hinter der Pfarre flackerten Feuer unter den Kesseln der Feldküche, das Wasser kochte schon – und in dem Wasser kochte nichts.
    Der Rechnungsfeldwebel und der Koch liefen im ganzen Dorf umher und wollten ein Schwein auftreiben, aber vergeblich. Überall erhielten sie dieselbe Antwort: Die Moskowiter hätten alles aufgegessen und requiriert.
    Sie weckten auch den Juden in der Schenke; der begann sich die Schläfenlöckchen zu raufen und schmerzlich zu jammern, weil er den Herren Soldaten nicht dienen könne. Zum Schluß zwang er sie, ihm eine alte hundertjährige Kuh abzukaufen, ein |683| mageres Krepierl, das nichts anderes war als

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