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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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ausgerichteten Reihen der Kriegsgefangenen, die einer nach dem anderen ihre Zu- und Vornamen riefen: »Dschindralej Hamenalej – Babamulej Mirzahali« usw.
    »Daß du dir nur nicht die Zunge überbeißt«, sagte Schwejk jedem von ihnen mit gutmütigem Lächeln. »Ob es nicht besser is, wenn jemand bei uns Bohuslav Schtepanek, Jaroslav Matouschek oder Ružena Swobodowa heißt?«
    Als Schwejk schließlich nach furchtbaren Schwierigkeiten alle diese Babula Hallejes und Chudschi Mudschis aufgeschrieben hatte, faßte er den Entschluß, noch einen Versuch zu wagen und dem Feldwebel zu erklären, daß er das Opfer eines Irrtums geworden sei; allein, wie bereits so oft auf dem Wege, als man ihn mit den Gefangenen mitschleppte, rief er auch jetzt vergeblich die Gerechtigkeit an.
    Der Feldwebel-Dolmetsch, der bereits vorher nicht ganz nüchtern gewesen war, hatte inzwischen vollständig seine Urteilskraft verloren.
    Er hatte den Inseratenteil irgendeiner deutschen Zeitung vor sich ausgebreitet und sang die Inserate nach der Melodie des Radetzkymarsches: »Tausche ein Grammophon gegen einen Kinderwagen – Splitter von weißem und grünem Tafelglas zu kaufen gesucht! – Buchführung und Bilanzierung lernt jeder, der einen schriftlichen Handelskurs absolviert hat«, usw.
    Zu manchem Inserat paßte der Marschtakt nicht, der Feldwebel aber wollte diese Unzulänglichkeit mit aller Gewalt überwinden, deshalb gab er mit den Fäusten auf dem Tisch den Takt an und stampfte dazu mit den Füßen. Seine beiden mit Kontuschowka verklebten Schnurrbartspitzen ragten zu beiden Seiten des Gesichtes empor, als hätte man ihm in jede Wange einen Pinsel mit eingetrocknetem Gummiarabikum gestoßen. Seine geschwollenen Augen nahmen Schwejk zwar wahr, aber dieser Entdeckung folgte keine Reaktion; der Feldwebel |711| hörte nur auf, mit den Fäusten zu schlagen und mit den Füßen zu stampfen, und trommelte auf den Stuhl nach der Melodie: »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …« ein neues Inserat: »Karolina Dreyer, Hebamme, empfiehlt sich den geehrten Damen in allen Fällen.«
    Das sang er immer leiser und leiser, bis er schließlich verstummte, unbeweglich und unverwandt auf die ganze große Fläche der Inserate zu blicken begann und Schwejk die Gelegenheit gab, in gebrochenem Deutsch mit Müh und Not ein Gespräch über sein Unglück anzuknüpfen.
    Schwejk begann damit, daß er doch nur recht gehabt hätte, daß man den Fluß entlang nach Feldstein hätte gehen sollen, daß er aber nicht dafür könne, wenn ein unbekannter russischer Soldat aus der Gefangenschaft entspringe und in einem Teich bade, an dem er, Schwejk, vorübergehen mußte, weil es seine Pflicht gewesen sei, als Quartiermeister den kürzesten Weg nach Feldstein zu gehen. Der Russe sei davongelaufen, sobald er ihn erblickte, und habe seine ganze Uniform im Gebüsch gelassen. Er, Schwejk, habe gehört, daß man an der Front zum Spionagedienst die Uniform gefallener Feinde verwende, deshalb habe er versuchsweise die zurückgelassene Uniform angezogen, um sich zu überzeugen, wie er sich in so einem Fall in der fremden Uniform fühlen würde.
    Nachdem er den Irrtum aufgeklärt hatte, sah Schwejk ein, daß er vollständig nutzlos gesprochen hatte, denn der Feldwebel schlief bereits längst, ehe Schwejk beim Teich angelangt war.
    Schwejk trat vertraulich zu ihm und berührte seine Schulter, was vollkommen genügte, um den Feldwebel vom Stuhl auf die Erde purzeln zu lassen, wo er ruhig weiterschlief.
    »Tschuldigen Sie, Herr Feldwebel«, sagte Schwejk, salutierte und verließ die Kanzlei.
    Zeitlich früh änderte das militärische Baukommando seine Dispositionen und bestimmte, daß jene Gruppe, in der sich Schwejk befand, direkt nach Przemyśl zur Erneuerung der Strecke Przemyśl–Lubaczow dirigiert werden sollte.
    So blieb also alles beim alten, und Schwejk setzte seine |712| Odyssee unter den russischen Kriegsgefangenen fort. Die magyarischen Wachposten trieben alles in scharfem Tempo vorwärts.
    In einem Dorf, wo gerastet wurde, stießen sie auf dem Marktplatz mit einer Trainabteilung zusammen. Vor einer Wagengruppe stand ein Offizier und schaute auf die Gefangenen. Schwejk sprang aus der Reihe, stellte sich vor den Offizier und rief: »Herr Lajtnant, melde gehorsamst.« Mehr sagte er aber nicht, denn gleich waren zwei magyarische Soldaten da, die ihn mit Fausthieben in den Rücken zwischen die Gefangenen stießen.
    Der Offizier warf ihm einen Zigarettenstummel nach, den ein

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