Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
ist bei Warschau. Vor einer Woche hab ich auch zwei Juden aus Praga bei Warschau hier gehabt; und dein Regiment, was hat es für eine Nummer? 91?«
Der Feldwebel nahm den Schematismus zur Hand und blätterte |708| darin: »Das einundneunzigste Regiment ist aus Eriwan im Kaukasus, seinen Kader hat es in Tiflis, da schaust du, was, wie wir hier alles wissen?«
Schwejk schaute wirklich verwundert drein, und der Feldwebel fuhr ungemein ernst fort, indem er Schwejk seine halb ausgerauchte Zigarette reichte: »Das ist ein anderer Tabak als eure Machorka. – Ich bin hier der höchste Herr, du Jüdel. Wenn ich was sag, so muß alles zittern und sich verkriechen. Bei uns in der Armee herrscht eine andere Disziplin als bei euch. Euer Zar ist ein Hundsfott, aber unser Zar ist ein offener Kopf. Jetzt werd ich dir was zeigen, damit du weißt, was für eine Disziplin bei uns herrscht.«
Er öffnete die Tür zum Nebenzimmer und rief: »Hans Löfler!«
Jemand meldete sich: »Hier!« und herein trat ein Soldat mit einem Kropf, ein Steirer Bua, mit dem Ausdruck eines verheulten Kretins. Er war in der Etappe Mädchen für alles.
»Hans Löfler«, befahl der Feldwebel, »nimm dir dort meine Pfeife, steck sie dir ins Maul, wie wenn ein Hund apportiert, und lauf so lang auf allen vieren um den Tisch herum, bis ich ›Halt‹ sag! Dabei mußt du bellen, aber so, daß dir die Pfeife nicht aus dem Maul fällt, sonst laß ich dich anbinden!«
Der Steirer mit dem Kropf fing an, auf allen vieren zu kriechen und zu bellen.
Der Feldwebel schaute Schwejk siegesbewußt an.
»No, hab ich dirs nicht gesagt, Jüdel, was für eine Disziplin bei uns herrscht?« Und der Feldwebel blickte erfreut auf das arme Soldatengeschöpf aus irgendeiner Alpensenne: »Halt!« sagte er schließlich, »jetzt mach ein Manderl und apportier die Pfeife. – Gut, und jetzt jodel.«
Durch den Raum erscholl das Gebrüll: »Holarijo, holarijo …«
Als die Vorstellung vorüber war, zog der Feldwebel vier Zigaretten aus der Schublade und schenkte sie großmütig dem Steirer; da begann Schwejk dem Feldwebel in gebrochenem Deutsch zu erzählen, ein Offizier habe einen Diener gehabt, der so gehorsam war, daß er alles tat, was sein Herr wünschte, |709| und als man ihn einmal fragte, ob er mit einem Löffel auffressen würde, was sein Herr ausscheißt, wenn es dieser befehlen sollte, da habe er gesagt: »Wenn mirs mein Herr Lajtnant befehln möcht, möcht ichs auf Befehl auffressen, aber ich dürft kein Haar drin finden, davor ekel ich mich schrecklich, da möcht mir gleich schlecht wern.«
Der Feldwebel lachte. »Ihr Juden habt gelungene Anekdoten, aber ich möcht wetten, daß die Disziplin in eurer Armee nicht so fest ist wie bei uns. Damit wir also zum Kern der Sache kommen, ich übergeb dir den Transport! Bis Abend wirst du mir die Namen aller andern Gefangenen zusammschreiben! Du wirst für sie Menage fassen, wirst sie in Gruppen von zehn Mann einteilen und haftest dafür, daß niemand wegläuft! Wenn dir jemand wegläuft, Jüdel, so erschießen wir dich!«
»Ich möcht mit Ihnen sprechen, Herr Feldwebel«, sagte Schwejk.
»Handel nur nicht«, antwortete der Feldwebel. »Das hab ich nicht gern, sonst schick ich dich ins Lager. Du hast dich aber sehr rasch bei uns in Österreich akklimatisiert. – Will privat mit mir sprechen! – Je braver man zu euch Gefangenen ist, desto ärger ist es. – Pack dich gleich zusammen, hier hast du Papier und Bleistift und schreib ein Verzeichnis … Was willst du noch?«
»Melde gehorsamst, Herr Feldwebel …«
»Schau, daß du verduftest! Du siehst, was ich zu tun hab!« Das Gesicht des Feldwebels nahm den Ausdruck eines völlig überarbeiteten Menschen an.
Schwejk salutierte und ging zu den Gefangenen, wobei er daran dachte, daß Geduld für Seine Majestät den Kaiser Früchte trage.
Ärger war es freilich mit der Zusammenstellung des Verzeichnisses, denn die Gefangenen begriffen nur schwer, daß sie ihre Namen nennen sollten. Schwejk hatte in seinem Leben viel erlebt, aber diese tatarischen, grusinischen und mordwinischen Namen gingen ihm doch nicht in den Kopf. Das wird mir niemand nicht glauben, dachte Schwejk, daß jemand jemals so heißen könnt wie diese Tataren hier: »Muhlalej Abdrachmanow |710| – Bejmurat Allahali – Dsheredshe Tsherdedshe – Dawlatbalej Nerdagalejew« usw. Da hamr bei uns doch bessere Namen, wie den Pfarrer in Zidohoušt, was Wobejda geheißen hat.
Und weiter schritt er durch die
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