Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
nach rechts, dann nach links – und wir gehn fort gradaus. Oder hamr das alles schon so nebenbei beim Reden gemacht? Ich seh entschieden zwei Wege nach diesem Feldstein vor mir. Ich möcht vorschlagen, daß wir uns jetzt nach links wenden.«
Rechnungsfeldwebel Wanĕk behauptete – wie dies so üblich ist, wenn sich zwei auf einem Kreuzweg befinden –, daß man nach rechts gehen müsse.
»Mein Weg«, sagte Schwejk, »is bequemer als Ihrer. Ich wer den Bach entlanggehn, wo Vergißmeinnicht wachsen, und Ihr werdet Euch irgendwo in der Sonnenglut herumdrücken. Ich halt mich dran, was uns der Herr Oberlajtnant gesagt hat, daß wir uns überhaupt nicht verirren können, und wenn wir uns nicht verirren können, wozu möcht ich also irgendwohin auf einen Berg klettern, ich wer hübsch über die Wiesen gehn, wer mir ein Blümchen hinter die Mütze stecken und wer einen ganzen Strauß fürn Herrn Oberlajtnant pflücken. Übrigens wern wir uns überzeugen, wer von uns recht hat, und ich hoff, daß wir hier wie gute Kameraden auseinandergehn. Hier is so eine Gegend, daß alle Wege in dieses Feldstein führen müssen.«
»Sein Sie nicht verrückt, Schwejk«, sagte Wanĕk, »grad hier müssen wir nach der Karte, wie ich sag, nach rechts gehn.«
»Die Karte kann sich auch irren«, antwortete Schwejk, in das von einem Bach durchströmte Tal hinabsteigend. »Einmal is der Selcher Křenek aus den Weinbergen nachn Plan von der |703| Stadt Prag vom ›Montag‹ auf der Kleinseite in der Nacht nach Haus auf die Weinberge gegangen und is gegen früh nach Rozdĕlov bei Kladno gekommen, wo man ihn gegen früh ganz erstarrt im Korn gefunden hat, in das er vor Müdigkeit gefalln is. Wenn Sie sich also nichts sagen lassen, Herr Rechnungsfeldwebel, und Ihren Kopf ham, so müssen wir halt auseinandergehn und uns erst an Ort und Stelle in Feldstein treffen. Schaun Sie nur auf die Uhr, damit wir wissen, wer zuerst dort sein wird. Und wenn Ihnen vielleicht eine Gefahr drohn möcht, so schießen Sie nur in die Luft, damit ich weiß, wo Sie sind.«
Nachmittag erreichte Schwejk einen kleinen Teich, wo er einem geflüchteten russischen Gefangenen begegnete, der hier badete und beim Anblick Schwejks nackt, wie er war, die Flucht ergriff.
Schwejk war neugierig, wie ihn die russische Uniform, die hier unter den Trauerweiden lag, wohl kleiden würde; er zog daher seine Uniform aus und die russische des unglücklichen nackten Gefangenen an, der einem im Dorf hinter dem Wald einquartierten Transport entsprungen war. Schwejk wollte sein Spiegelbild im Wasser gründlich betrachten, deshalb schritt er so lange auf dem Damm des Teiches auf und ab, bis ihn dort eine Patrouille der Feldgendarmerie fand, die den russischen Flüchtling suchte. Es waren Magyaren, die Schwejk trotz seines Protestes nach Chyrów brachten, wo sie ihn in einen Transport russischer Gefangener steckten, der bestimmt war, an der Ausbesserung der Eisenbahnstrecke nach Przemyśl zu arbeiten.
All das ging so rasch vor sich, daß Schwejk sich erst am folgenden Tag der Situation bewußt ward, worauf er mit einem Kienspan auf die weiße Wand des Schulzimmers, in dem ein Teil der Gefangenen einquartiert war, die Worte schrieb:
»Hier hat Josef Schwejk aus Prag geschlafen, Kompanieordonnanz der 11. Marschkompanie des 91. Infanterieregimentes, der als Quartiermacher irrtümlich bei Feldstein in österreichische Kriegsgefangenschaft gefallen ist.«
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|705| Vierter Teil
Fortsetzung des glorreichen Debakels
1
Schwejk als russischer Kriegsgefangener
Als Schwejk, der infolge seiner russischen Uniform irrtümlicherweise für einen russischen Kriegsgefangenen gehalten wurde, der aus einem Dorfe bei Feldstein entsprungen war, mit einem Kienspan seine verzweifelten Aufschreie an die Wände malte, nahm davon niemand Notiz; und als er auf dem Transport in Chyrów einem vorübergehenden Offizier alles erzählen wollte (man teilte gerade Stücke harten Kukuruzbrotes aus), da haute einer von den ungarischen Soldaten, die den Transport bewachten, ihm eins mit dem Kolben über die Schulter mit den Worten: »Baszom az élet, gehst du zurück in die Reihe, russisches Schwein!«
Das war so ganz in der Art und Weise, wie die Magyaren mit den russischen Kriegsgefangenen umgingen, deren Sprache sie nicht verstanden.
Schwejk kehrte also in den Zug zurück und wandte sich an den nächststehenden Gefangenen: »Der da erfüllt zwar seine Pflicht, aber dabei bringt er sich selbst in Gefahr. Was, wenn
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