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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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anderer Gefangener schnell aufhob und weiterrauchte. Hierauf erklärte der Offizier dem neben ihm stehenden Korporal, daß es in Rußland deutsche Kolonisten gebe, die gleichfalls kämpfen müßten.
    Während des ganzen Weges nach Przemyśl hatte Schwejk keine Gelegenheit mehr, sich bei jemandem zu beschweren, daß er eigentlich Kompanieordonnanz der 11. Marschkompanie des 91. Regiments sei. In Przemyśl angelangt, jagte man sie gegen Abend in ein zerschossenes Fort in der inneren Zone, wo die Ställe für die Pferde der Festungsartillerie stehengeblieben waren.
    In den Ställen war so viel verlaustes Stroh angehäuft, daß über die kurzen Halme Läuse liefen, als wären es nicht Läuse, sondern Ameisen, die Material zum Bau ihres Haufens herbeischleppten.
    Es wurde auch ein wenig schwarzes Abspülwasser aus bloßer Zichorie verteilt und je ein Stück vertrocknetes Kukuruzbrot.
    Dann wurde der Transport von Major Wolf übernommen, der zu jener Zeit über alle Gefangenen herrschte, die bei den Řeparaturen in der Festung Przemyśl und der Umgebung beschäftigt waren. Er war ein gründlicher Mensch und hatte einen ganzen Stab Dolmetscher bei sich, die unter den Gefangenen je nach deren Fähigkeit und Vorbildung Spezialisten für die Bauten aussuchten.
    |713| Major Wolf hatte die fixe Idee, daß die russischen Gefangenen ihre Fähigkeiten verleugneten, denn es pflegte zu geschehen, daß auf seine verdolmetschte Frage: »Kannst du eine Eisenbahn bauen?« alle Gefangenen stereotyp erwiderten: »Ich weiß von nichts, hab von was Ähnlichem nicht gehört, hab ehrenhaft und redlich gelebt.«
    Als sie also bereits in Reih und Glied vor Major Wolf und seinem ganzen Stab standen, fragte Major Wolf die Gefangenen zuerst auf deutsch, wer von ihnen Deutsch verstehe.
    Schwejk trat energisch vor, stellte sich vor den Major, leistete ihm die Ehrenbezeigung und meldete, daß er Deutsch verstehe.
    Major Wolf, sichtlich erfreut, fragte Schwejk sofort, ob er nicht Ingenieur sei.
    »Melde gehorsamst, Herr Major«, antwortete Schwejk, »daß ich nicht Ingenieur bin, sondern Kompanieordonnanz bei der 11. Marschkompanie vom 91. Infanterieregiment. Ich bin in unsere eigene Gefangenschaft geraten. Das ist so geschehn, Herr Major …«
    »Was?« brüllte Major Wolf.
    »Melde gehorsamst, Herr Major, daß es sich so verhält …«
    »Sie sind Tscheche«, fuhr Major Wolf zu brüllen fort, »Sie haben sich verkleidet, eine russische Uniform angezogen.«
    »Melde gehorsamst, Herr Major, daß das alles voll und ganz stimmt. Ich bin wirklich froh, daß sich Herr Major gleich in meine Situation eingelebt ham. Möglich, daß die Unsrigen schon irgendwo kämpfen, und ich soll hier unnütz den ganzen Krieg vertrödeln. Ich sollts Ihnen noch mal ordentlich erklären, Herr Major.«
    »Genug«, sagte Major Wolf und rief zwei Soldaten, um den Mann sofort auf die Hauptwache führen zu lassen; er selbst folgte Schwejk langsam mit einem Offizier, wobei er im Gespräch heftig mit den Händen gestikulierte. In jedem seiner Sätze kam etwas von tschechischen Hunden vor; gleichzeitig fühlte der andere aus den Reden des Majors heraus, daß dieser hocherfreut war, weil er das Glück gehabt hatte, mit seinem Scharfblick einen jener Vögel zu entdecken, über deren hochverräterische |714| Tätigkeit jenseits der Grenzen an die Kommandanten der Truppenkörper schon vor einigen Monaten geheime Reservate gesandt worden waren, deren Inhalt besagte, daß manche Überläufer der tschechischen Regimenter, uneingedenk ihres Treueides, in die Reihen der russischen Armee eintreten und dem Feinde dienen oder ihm zumindest wirksame Spionagedienste leisten.
    Das österreichische Innenministerium tappte noch im dunkeln, ob es irgendwelche Kampforganisationen, bestehend aus Überläufern zu den Russen, gäbe. Es wußte noch nichts Bestimmtes über die Revolutionsorganisationen im Auslande, und erst im August, auf der Linie Sokal–Milijatin–Bubnow, erhielten die Bataillonskommandanten Geheimreservate des Inhalts, daß der ehemalige österreichische Professor Masaryk über die Grenze geflüchtet sei, wo er eine antiösterreichische Propaganda entfalte. Irgendein Dummkopf von der Division ergänzte das Reservat noch durch folgenden Befehl: »Im Falle der Gefangennahme unverzüglich dem Divisionsstab vorführen!«
    Dies als Erinnerung für Herrn Präsidenten Masaryk, damit er wisse, welche Anschläge und Schlingen für ihn zwischen Sokal–Milijatin–Bubnow vorbereitet

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