Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
waren.
Major Wolf hatte zu jener Zeit noch keine Ahnung davon, auf welche Weise die Überläufer gegen Österreich arbeiteten, die später, wenn sie einander in Kiew oder anderswo begegneten: »Was machst du hier?« lustig antworteten: »Ich habe Seine Majestät den Kaiser verraten.«
Er wußte aus den Reservaten nur von Überläufer-Spionen, deren einer, den man soeben auf die Hauptwache brachte, ihm so einfach in die Falle gelaufen war. Major Wolf, ein einigermaßen eitler Mensch, vergegenwärtigte sich das Lob der höheren Stellen, die Auszeichnung für seine Wachsamkeit, seine Vorsicht und Begabung.
Bevor sie die Hauptwache erreichten, war er überzeugt, daß er die Frage: »Wer versteht Deutsch?« absichtlich gestellt hatte, weil ihm bei der Inspizierung gerade dieser eine Gefangene sofort verdächtig erschienen war.
|715| Der ihn begleitende Offizier nickte mit dem Kopf und meinte, man werde die Verhaftung beim Garnisonskommando zur weiteren Amtshandlung und Vorführung des Angeklagten vor das Kriegsgericht melden müssen, denn es gehe unbedingt nicht an, den Mann, wie der Herr Major beabsichtige, auf der Hauptwache zu verhören und dann gleich hinter der Hauptwache zu hängen. Er werde gehängt werden, aber auf gerichtlichem Wege nach der Kriegsgerichtsordnung, damit vor der Hinrichtung durch ein genaues Verhör der Zusammenhang mit ähnlichen anderen Verbrechern aufgedeckt werden könne. Wer wisse, was da noch an den Tag kommen werde. Major Wolf wurde von plötzlicher Unnachgiebigkeit erfaßt, eine bisher verborgene Unmenschlichkeit befiel ihn, und er erklärte, er werde diesen Überläufer-Spion sofort nach dem Verhör auf eigenes Risiko hängen lassen. Er könne sich dies übrigens erlauben, weil er hohe Bekanntschaften habe, ihm sei alles andere vollständig gleichgültig. Es sei genauso wie an der Front. Hätte man den Mann gleich hinter dem Schlachtfeld erwischt und gefangengenommen, dann hätte man ihn verhört und gleich gehängt und auch keine Faxen mit ihm gemacht. Übrigens wisse der Herr Hauptmann vielleicht, daß ein Kommandant im Kriegsgebiete, jeder Kommandant vom Hauptmann aufwärts, das Recht besitze, alle verdächtigen Individuen zu hängen.
Major Wolf irrte sich allerdings ein wenig, soweit es sich um die Rechtsvollmacht zum Hängen handelte.
In Ostgalizien erstreckte sich diese Gerichtsbarkeit, je näher man zur Front kam, auf immer niedrigere Chargen, bis sich schließlich Fälle ereigneten, wo ein Korporal, der eine Patrouille führte, einen zwölfjährigen Jungen hängen ließ, der ihm verdächtig schien, weil er in einem verlassenen und ausgeplünderten Dorf in einer eingestürzten Hütte Kartoffelschalen kochte.
Der Streit zwischen Hauptmann und Major steigerte sich.
»Sie haben kein Recht dazu«, schrie der Hauptmann aufgeregt. »Er wird auf Grund des gerichtlichen Urteils des Kriegsgerichtes gehängt werden.«
|716| »Er wird ohne Urteil gehängt werden«, zischte Major Wolf.
Schwejk, der vor den beiden Offizieren geführt wurde und das ganze interessante Gespräch mit anhörte, sagte seinen Begleitern nichts anderes als: »Gehupft wie gesprungen. Da hamr uns euch mal im Wirtshaus ›Na Zavadilce‹ in Lieben mitanander gestritten, ob wir einen gewissen Hutmacher Waschak, was immer bei der Unterhaltung einen Radau angefangen hat, gleich, wie er sich in der Tür zeigt, herauswerfen solln oder ob wir ihn erst herauswerfen solln, bis er ein Bier hat, bezahlt und austrinkt oder bis er zum erstenmal eine Runde getanzt hat. Der Wirt wieder hat vorgeschlagen, daß wir ihn erst mitten in der Unterhaltung herauswerfen solln, bis er eine Zeche haben wird, daß er dann bezahlen und gleich heraus muß. Und wißt ihr, was uns der Lump angestellt hat? Er is nicht gekommen. Was sagt ihr da dazu?«
Beide Soldaten, die von irgendwo aus Tirol waren, antworteten gleichzeitig: »Nix böhmisch.«
»Verstehn Sie Deutsch?« fragte Schwejk ruhig.
»Jawohl«, antworteten beide, worauf Schwejk bemerkte: »Das is gut, wenigstens geht ihr unter euren Landsleuten nicht verloren.«
Während dieses freundschaftlichen Gesprächs erreichte man die Hauptwache, wo Major Wolf die Debatte mit dem Hauptmann über das Schicksal Schwejks fortsetzte, indes Schwejk bescheiden hinten auf einer Bank saß.
Major Wolf schloß sich schließlich doch der Meinung des Hauptmanns an, daß dieser Mensch erst nach der längeren Prozedur gehängt werden müsse, die man so lieblich »Rechts weg « nennt.
Hätte man
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