Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
heute nicht mehr vorzustellen, was |723| für ein gerichtliches Forum es war, vor das man ihn an jenem traurigen Morgen schleppte. Daß es sich um ein Kriegsgericht handelte, darüber bestand kein Zweifel. Beisitzer war sogar irgendein General, dann ein Oberst, ein Major, ein Oberleutnant, ein Leutnant, ein Feldwebel und irgendein Infanterist, der eigentlich nichts anderes machte, als daß er den andern Zigaretten anzündete.
Schwejk wurde nicht viel gefragt.
Der Major zeigte ein etwas größeres Interesse und sprach Tschechisch.
»Sie haben Seine Majestät den Kaiser verraten«, fuhr er Schwejk an.
»Jesusmaria, wann?« rief Schwejk, »ich sollt Seine Majestät den Kaiser verraten ham, unsern durchlauchtigsten Monarchen, für den ich schon so viel gelitten hab?«
»Lassen Sie die Dummheiten«, sagte der Major.
»Melde gehorsamst, Herr Major, daß das keine Dummheit is, Seine Majestät den Kaiser zu verraten. Wir Kriegsvolk ham Seiner Majestät dem Kaiser Treue geschworen, und diesen Eid, wie man im Theater gesungen hat, hab ich als treuer Mann erfüllt.«
»Da haben wirs«, sagte der Major, »hier sind Beweise für Ihre Schuld und für die Wahrheit.« Er zeigte auf einen umfangreichen Aktenstoß.
Das Hauptmaterial hatte der Mann geliefert, den man zu Schwejk gesteckt hatte.
»Sie wollen also noch nicht gestehn?« fragte der Major, »Sie haben doch schon selbst zugegeben, daß Sie die russische Uniform freiwillig als Angehöriger der österreichischen Armee angezogen haben. Ich frage Sie zum letztenmal: Waren Sie dazu durch irgend etwas gezwungen?«
»Ich hab es ohne Zwang getan.«
»Freiwillig?«
»Freiwillig.«
»Ohne Druck?«
»Ohne Druck.«
»Wissen Sie, daß Sie verloren sind?«
|724| »Ich weiß. Vom 91. Regiment hat man mich gewiß schon gesucht, aber erlauben Sie, Herr Major, eine kleine Bemerkung, wie sich Leute freiwillig fremde Kleider anziehn. Im Jahre 1908, einmal im Juli, hat Ihnen der Buchbinder Božetĕch aus der Langengasse in Prag in Zbraslaw im alten Arm der Beraun gebadet. Die Kleider hat er sich zwischen die Weiden gelegt, und es war ihm sehr angenehm, wie später noch ein Herr zu ihm ins Wasser gestiegen is. Ein Wort hat das andere gegeben, sie ham sich geneckt, ham sich angespritzt, ham bis Abend getaucht. Dann is der fremde Herr zuerst ausn Wasser gekrochen, daß er herich nachtmahln gehn muß. Der Herr Božetĕch is noch eine Weile im Wasser geblieben, und dann is er sich in die Weiden um die Kleider gegangen und hat statt seiner Kleider ein paar zerfetzte Landstreicherkleider und einen Zettel gefunden: ›Ich hab mirs lang überlegt: Soll ich – soll ich nicht. Weil wir uns zusamm so schön im Wasser unterhalten ham, so hab ich mir eine Butterblume abgerissen, und das letzte abgerissene Blatt war: Soll! Drum hab ich mir mit Ihnen die Hadern verwechselt. Sie müssen sich nicht fürchten hineinzukriechen. Entlaust sind sie vor einer Woche beim Bezirksamt in Dobříš worn. Nächstens geben Sie sich besser acht, mit wem Sie baden. Im Wasser sieht jeder nackte Mensch aus wie ein Abgeordneter und is meinetwegen ein Mörder. Sie ham auch nicht gewußt, mit wem Sie gebadet ham. Das Bad ist dafür gestanden. Jetzt gegen Abend is das Wasser am angenehmsten. Kriechen Sie noch mal hinein, damit Sie zu sich kommen.‹
Herrn Božetĕch ist nichts anderes übriggeblieben, wie zu warten, bis es finster wird, und dann hat er sich die Landstreicherkleider angezogen und is in der Richtung nach Prag gegangen. Er is den Bezirksstraßen ausgewichen und is auf Feldwegen über die Wiesen gegangen und is mit der Gendarmeriepatrouilie aus Kuchelbad zusammengestoßen. Die hat den Landstreicher verhaftet und am nächsten Tag früh nach Zbraslaw zum Bezirksgericht gebracht, denn das könnt jeder sagen, daß er der Josef Božetĕch, Buchbinder aus der Langengasse Nummer 16 in Prag is.«
|725| Der Schriftführer, der nur sehr wenig Tschechisch verstand, begriff, daß der Angeklagte die Adresse seines Mitschuldigen angab, deshalb fragte er nochmals: »Ist das genau, Prag Nummer 16, Josef Božetĕch?«
»Ob er noch dort wohnt, weiß ich nicht«, antwortete Schwejk, »aber damals im Jahre 1908 hat er dort gewohnt. Er hat sehr hübsch Bücher gebunden, aber es hat lang gedauert, weil er sie zuerst hat lesen müssen und nachn Inhalt gebunden hat. Wenn er ein Buch schwarz beschnitten hat, hats schon niemand mehr lesen müssen. Da hat man gleich gewußt, daß es in dem Roman sehr schlecht ausgefalln is.
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