Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
Vom Netzwerk:
Wünschen Sie vielleicht noch was Näheres? Daß ich nicht vergeß: Er is jeden Tag beim ›Fleck‹ gesessen und hat den Inhalt von allen Büchern erzählt, die er grad zum Einbinden bekommen hat.«
    Der Major trat zum Schriftführer und flüsterte ihm etwas zu, worauf dieser in den Akten die Adresse des neuen vermeintlichen Verschwörers Božetĕch strich.
    Dann wurde diese sonderbare Verhandlung nach Art eines Standgerichtes, das der General Fink von Finkenstein arrangierte, fortgesetzt.
    So wie mancher Mensch das Steckenpferd hat, Streichholzschachteln zu sammeln, war es wiederum das Steckenpferd dieses Herrn, Standgerichte einzusetzen, obwohl dies in der Mehrzahl der Fälle gegen die Kriegsgerichtsordnung verstieß.
    Dieser General pflegte zu sagen, daß er keinen Auditor brauche, daß er das Gericht selbst einsetze und jeder Kerl binnen drei Stunden hängen müsse. Solange er an der Front war, hatte es bei ihm nie Not um ein Standgericht gegeben.
    So wie jemand täglich regelmäßig eine Partie Schach, Kegel oder Mariage spielen muß, so ließ dieser treffliche General täglich ein Standgericht zusammentreten, führte den Vorsitz und kündigte mit großem Ernst und großer Freude dem Angeklagten ein Schach und Matt an.
    Wollte man sentimental sein, so müßte man schreiben, daß dieser Mann viele Dutzend Menschen auf dem Gewissen hatte, hauptsächlich im Osten, wo er, wie er sagte, mit der groß-russischen Agitation unter den galizischen Ukrainern zu kämpfen |726| hatte. Von seinem Standpunkt aus kann aber nicht die Rede davon sein, daß er jemanden auf dem Gewissen hatte.
    Das existierte nicht bei ihm. Hatte er einen Lehrer, eine Lehrerin, einen Popen oder eine ganze Familie auf Grund des Urteils seines Standgerichts hängen lassen, kehrte er ruhig in seine Ubikation zurück, wie ein leidenschaftlicher Mariagespieler zufrieden aus dem Wirtshaus heimkehrt und darüber nachdenkt, wie man ihm an den Leib gerückt war, wie er »re« gab, sie »supre«, er »tuti«, und wie er gewonnen und hundert und den Siebner gehabt hatte. Er hielt Hängen für etwas Einfaches und Natürliches, gewissermaßen für das tägliche Brot, vergaß bei der Urteilsfällung häufig genug des Kaisers und sagte nicht einmal mehr: »Im Namen Seiner Majestät des Kaisers verurteile ich Sie zum Tode durch den Strang«, sondern verkündete: »Ich verurteile Sie …«
    Zuweilen gewann er dem Hängen sogar eine komische Seite ab, worüber er auch einmal seiner Gattin nach Wien schrieb: »… oder kannst Du Dir zum Beispiel, meine Teure, nicht vorstellen, wie ich letzthin gelacht habe, als ich vor einigen Tagen einen Lehrer wegen Spionage verurteilte. Ich habe einen geübten Menschen zum Hängen, er hat schon eine größere Praxis, es ist ein Feldwebel und betreibt das als Sport. Ich war in meinem Zelt, wie dieser Feldwebel nach dem Urteil zu mir kommt und mich fragt, wo er diesen Lehrer aufhängen soll. Ich sagte ihm, an dem nächsten Baum, und jetzt stell Dir die Komik der Situation vor! Wir waren mitten in der Steppe, wo wir weit und breit nichts anderes sahen als Gras und meilenweit kein Bäumchen. Befehl ist Befehl, deshalb nahm der Feldwebel den Lehrer mit einer Eskorte mit, und sie ritten fort, um einen Baum zu suchen.
    Erst am Abend kehrten sie zurück, und zwar mit dem Lehrer. Der Feldwebel kam zu mir und fragte mich abermals: ›Woran soll ich den Kerl aufhängen?‹ Ich schimpfte ihn aus, mein Befehl habe doch gelautet, an dem nächsten Baum. Er sagte, daß er es also am Morgen versuchen werde, und am Morgen kam er ganz bleich, der Lehrer sei seit früh verschwunden. Mir kam das so lächerlich vor, daß ich allen verzieh, die ihn bewacht |727| hatten, und noch den Witz machte, daß der Lehrer sich wahrscheinlich selbst nach einem Baum umschaun gegangen war. Also Du siehst, meine Teure, daß wir uns hier nicht langweilen, und sag dem kleinen Willichen, daß der Papa ihn küssen läßt und ihm bald einen lebendigen Russen schicken wird, auf dem Willichen reiten wird wie auf einem Pferdchen. Noch an einen zweiten komischen Vorfall erinnere ich mich, meine Teure. Wir hängten neulich einen Juden wegen Spionage. Der Kerl ist uns in den Weg gelaufen, obwohl er dort nichts zu tun hatte, und hat sich ausgeredet, daß er Zigaretten verkauft. Er ist also gehangen, aber bloß ein paar Sekunden, der Strick riß, und er fiel herunter, kam sofort zur Besinnung und schrie mich an: ›Herr General, ich geh nach Haus, ihr habt mich schon gehängt,

Weitere Kostenlose Bücher