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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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Geisteskranken in Pflege bekommen, was den ganzen lieben Tag nichts anderes gemacht hat, als in einem Winkel sitzen und zählen: ›Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs‹, und wieder vom Anfang: ›Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs.‹ Es war |721| irgendein Professor. Der Wärter hat vor Wut aus der Haut fahren können, wie er gesehn hat, daß dieser Narr nicht über Sechse herauskommen kann. Zuerst hat er im guten mit ihm angefangen, er soll sagen: ›Sieben, acht, neun, zehn.‹ Aber woher! Der Professor hat sich nicht die Bohne drum geschert. Er sitzt im Winkerl und zählt: ›Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs!‹ Und wieder: ›Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs!‹ So hat der Wärter Wut gekriegt, is auf seinen Pflegling zugesprungen und hat ihm, wie dieser ›sechs‹ gesagt, einen Watschen gegeben. ›Da hast du sieben‹, sagt er, ›und da hast du acht, neun, zehn.‹ Soviel Zahlen, soviel Ohrfeigen. Der Professor hat sich am Kopf gepackt und hat gefragt, wo er is. Wie er ihm gesagt hat, daß im Irrenhaus, hat er sich schon an alles erinnert, daß er wegen irgendeinem Kometen ins Irrenhaus gekommen ist, wie er ausgerechnet hat, daß er übers Jahr am 18. Juni, um sechs Uhr früh, auftauchen wird, und man ihm bewiesen hat, daß sein Komet schon vor vielen Millionen Jahren verbrannt is. Den Wärter hab ich gekannt. Wie der Professor ganz zu sich gekommen is und man ihn entlassen hat, hat er sich ihn als Diener zu sich genommen. Er hat nichts anderes zu tun gehabt, wie dem Herrn Professor jeden Morgen vier Watschen herunterzuhaun, was er gewissenhaft und genau ausgeführt hat.«
    »Ich kenne alle Ihre Bekannten in Kiew«, fuhr der Agent der Gegenspionage unermüdlich fort, »war nicht so ein Dicker und so ein Magerer dort mit Ihnen? Jetzt weiß ich nicht, wie sie geheißen haben und von welchem Regiment sie waren …«
    »Machen Sie sich nix draus«, tröstete ihn Schwejk, »das kann jedem passieren, daß er sich nicht merkt, wie alle dicken und mageren Leute heißen. Magere Leute merkt man sich freilich schwerer, weil die meisten Leute der Welt mager sind. Sie bilden also eine Mehrheit, wie man sagt.«
    »Kamerad«, ließ sich der k. u. k. Schuft klagend vernehmen, »du glaubst mir nicht. Es erwartet uns doch das gleiche Schicksal.«
    »Zudem sind wir Soldaten«, sagte Schwejk nachlässig, »dazu ham uns unsere Mütter geboren, damit man uns auf Nudeln |722| zerhackt, bis man uns die Montur anzieht. Und wir machens gern, weil wir wissen, daß unsere Knochen nicht umsonst faulen wern. Wir wern für Seine Majestät den Kaiser und sein Haus falln, für das wir die Herzegowina erobert ham. Aus unsern Knochen wird man Spodium für die Zuckerfabriken erzeugen, das hat uns schon vor Jahren der Herr Lajtnant Zimmer erklärt. ›Ihr Schweinebande‹, hat er gesagt, ›ihr ungebildeten Säue, ihr nutzlosen, indolenten Affen, ihr verwechselt euch die Haxen, wie wenn sie keinen Wert hätten. Wenn ihr mal im Krieg fallen möchtet, so macht man aus jedem Knochen von euch ein halbes Kilo Spodium, aus jedem Mann über zwei Kilo, Beine und Pratzen zusammengenommen, und in der Zuckerfabrik wird man Zucker durch euch filtrieren, ihr Idioten. Ihr wißt gar nicht, wie ihr euren Nachkommen noch nachn Tod nützlich sein werdet. Eure Buben wern Kaffee trinken, was mit Zucker gesüßt sein wird, was durch eure Gebeine gegangen is, ihr Taugenichtse.‹ Einmal bin ich nachdenklich geworn, und er auf mich los, worüber ich nachdenk. ›Melde gehorsamst‹, sag ich, ›ich denk mir so, daß Spodium von den Herrn Offizieren viel teurer sein muß als aus gemeinen Soldaten.‹ Drauf hab ich drei Tage Einzel gekriegt.«
    Schwejks Gefährte pochte an die Tür und unterhandelte mit dem Wächter, der etwas in die Kanzlei rief.
    Bald darauf holte irgendein Stabsfeldwebel Schwejks Gefährten ab, und Schwejk war wieder allein.
    Beim Gehen sagte diese Kreatur laut zum Stabsfeldwebel, auf Schwejk weisend: »Es ist mein alter Kamerad aus Kiew.«
    Volle vierundzwanzig Stunden lang blieb Schwejk allein, die Unterbrechungen abgerechnet, in denen man ihm Essen brachte.
    In der Nacht kam er zu der Überzeugung, daß der russische Soldatenmantel wärmer und größer sei als der österreichische und daß es nicht unangenehm ist, wenn eine Maus des Nachts das Ohr eines schlafenden Menschen beschnuppert. Schwejk erschien dies im Schlaf wie ein zärtliches Geflüster, aus dem man ihn im Morgengrauen erweckte, als man ihn abholte.
    Schwejk vermag sich

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