Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
nach dem Gesetz kann ich nicht für eine Sache zweimal gehängt werden.‹ Ich brach in ein Gelächter aus, und wir ließen den Juden laufen. Bei uns, meine Teure, geht es lustig zu …«
Als General Fink Garnisonskommandant der Festung Przemyśl wurde, hatte er nicht mehr so oft Gelegenheit, ähnliche Schauspiele zu arrangieren; deshalb griff er Schwejks Fall mit großer Freude auf.
Schwejk stand also vor einem Tiger, der, im Vordergrund an einem langen Tische sitzend, eine Zigarette nach der andern rauchte und sich die Aussprüche Schwejks übersetzen ließ, wobei er zustimmend mit dem Kopf nickte.
Der Major stellte den Antrag, an die Brigade eine telegrafische Anfrage zwecks Sicherstellung des augenblicklichen Aufenthaltsortes der 11. Marschkompanie des 91. Regimentes zu richten, dem der Angeklagte laut seiner Aussage angehörte.
Der General trat dagegen auf und erklärte, daß dadurch das rasche Verfahren des Standgerichtes und die eigentliche Bedeutung dieser Institution illusorisch gemacht werde. Es liege doch das vollständige Geständnis des Angeklagten vor, daß er die russische Uniform angezogen habe, weiter die wichtige Zeugenaussage über das Geständnis des Angeklagten, in Kiew gewesen zu sein. Er beantrage daher, sich zur Beratung zurückzuziehen, damit das Urteil verkündet und sofort vollstreckt werden könne.
|728| Allein der Major beharrte auf seiner Ansicht, es sei nötig, die Identität des Angeklagten festzustellen, da die ganze Angelegenheit von außergewöhnlicher politischer Bedeutung sei. Durch die Feststellung seiner Identität könne man den weiteren Verkehr des Beschuldigten mit den ehemaligen Kameraden von jener Abteilung aufdecken, der er angehörte.
Der Major war ein romantischer Träumer. Er sprach noch davon, daß man eigentlich gewisse Fäden suchen müsse, daß es nicht genüge, einen Menschen zu verurteilen. Die Verurteilung sei nur die Resultante einer bestimmten Untersuchung, die Fäden in sich berge, welche …
Er konnte sich aus diesen Fäden nicht herauswinden, aber alle verstanden ihn und nickten zustimmend mit dem Kopf, sogar der Herr General, dem diese Fäden so gut gefielen, daß er sich die neuen Standgerichte vorstellte, die an den Fäden des Majors hängen würden. Deshalb protestierte er auch nicht mehr, daß bei der Brigade festgestellt werden sollte, ob Schwejk tatsächlich zum 91. Regiment gehöre und wann beiläufig und gelegentlich welcher Operationen der 11. Marschkompanie er zu den Russen übergegangen sei.
Schwejk wurde während der ganzen Dauer dieser Debatte auf dem Gang von zwei Bajonetten bewacht; dann wurde er abermals vor das Gericht geführt und noch einmal gefragt, zu welchem Regiment er eigentlich gehöre. Hierauf wurde er ins Garnisonsgefängnis übergeführt.
Als General Fink nach dem erfolglosen Standgericht heimkehrte, legte er sich aufs Kanapee und dachte darüber nach, wie er eigentlich die ganze Verhandlung beschleunigen könne.
Er war fest überzeugt, daß die Antwort zwar bald, aber dennoch nicht mit jener Geschwindigkeit eintreffen werde, durch die sich seine Standgerichte auszeichneten; außerdem stand jetzt noch die geistliche Tröstung des Verurteilten bevor, was die Vollstreckung des Urteils zwecklos um zwei Stunden hinausschieben würde.
Das ist egal, dachte General Fink, wir können ihm die geistliche Tröstung vor Fällung des Urteils gewähren, noch bevor die Berichte von der Brigade eintreffen. Hängen wird er ohnehin.
|729| General Fink ließ Feldkurat Martinec zu sich rufen.
Das war ein unglücklicher Katechet und Kaplan irgendwo aus Mähren, der so ein Luder von Pfarrer zum Vorgesetzten gehabt hatte, daß er lieber zum Militär gegangen war. Er war ein wahrhaft religiös veranlagter Mann und gedachte bekümmerten Herzens seines Pfarrers, der langsam, aber sicher der Verderbnis verfiel. Er dachte daran, daß sein Pfarrer wie ein Bürstenbinder Sliwowitz gesoffen und ihm einmal des Nachts mit Gewalt eine herumziehende Zigeunerin ins Bett gesteckt hatte, die er hinter dem Dorfe fand, als er aus einer Branntweinschenke taumelte.
Feldkurat Martinec glaubte, daß er als geistlicher Tröster der Verwundeten und Sterbenden auf dem Schlachtfeld auch die Sünden seines gottvergessenen Pfarrers sühne, der ihn, wenn er des Nachts nach Hause kam, unzähligemal geweckt und gesagt haue: »Hänschen, Hänschen! Ein dralles Mädl, das ist mein ganzes Glück.«
Seine Hoffnungen erfüllten sich nicht. Man schob ihn von einer Garnison
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