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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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Mann, sonst nichts vorgefallen.«
    Der Major konnte sich plötzlich nicht erinnern, wozu er eigentlich hierhergekommen sei, deshalb sagte er: »Ruht! Wo hast du den eingesperrten Mann?«
    »Das bin ich, melde gehorsamst, Herr Major«, sagte Schwejk stolz.
    Der Major beachtete diese Antwort aber nicht, denn die Weine und Liköre des Generals begannen in seinem Hirn die letzte alkoholische Reaktion hervorzurufen. Er gähnte so fürchterlich, daß sich jeder Zivilist die Kinnladen verrenkt hätte. Beim Major verschob dieses Gähnen seine Gedanken jedoch in jene Gehirnwindungen, die beim Menschen der Sitz der Gabe des Gesanges sind. Er fiel völlig ungezwungen auf Schwejks Kavallett und kreischte wie ein abgestochenes Schwein vor dem Tode:
    O Tannenbaum! O Tannenbaum,
    wie schön sind deine Blätter!
    was er einigemal hintereinander wiederholte, wobei er unverständliche Schreie in das Lied mengte.
    Dann wälzte er sich auf den Rücken wie ein kleiner Bär, rollte sich im Winkel zusammen und begann zu schnarchen.
    »Herr Major«, weckte ihn Schwejk, »melde gehorsamst, Sie wern Läuse kriegen.«
    Es nützte aber nichts. Der Major schlief wie ins Wasser gefallen.
    |748| Schwejk blickte ihn zärtlich an und sagte: »Also schlaf nur, du Schnapsnase« und deckte ihn mit dem Mantel zu. Später kroch er zu ihm, und so fand man sie denn am Morgen eng aneinandergeschmiegt.
    Gegen neun Uhr, als die Jagd nach dem Major ihren Gipfelpunkt erreichte, kroch Schwejk vom Kavallett und hielt es für angezeigt, den Herrn Major zu wecken. Er rüttelte ihn einigemal sehr gründlich und nahm ihm den russischen Mantel ab; schließlich setzte sich der Major auf dem Kavallett auf, schaute stumpf auf Schwejk und suchte bei ihm die Lösung des Rätsels: Was war eigentlich mit ihm vorgefallen?
    »Melde gehorsamst, Herr Major«, sagte Schwejk, »daß man schon paarmal ausn Wachzimmer nachschaun war, ob Sie noch am Leben sind. Drum hab ich mir erlaubt, Sie jetzt zu wecken, weil ich nicht weiß, wie lang Sie gewöhnlich schlafen, damit Sie am Ende nicht verschlafen. Im Bräuhaus in Ouřinowetz war Ihnen ein Tischler, der hat immer bis sechs Uhr früh geschlafen, wenn er aber verschlafen hat, meinetwegen nur ein Viertelstündchen, bis Viertel sieben, so hat er dann schon bis Mittag geschlafen, und das hat er so lang gemacht, bis man ihn aus der Arbeit herausgeworfen hat, und er hat Ihnen dann vor Wut das Verbrechen der Beleidigung der Kirche und eines Mitglieds unseres Herrscherhauses begangen.«
    »Du bist blöd, gelt?« sagte der Major in gebrochenem Tschechisch, nicht ohne den Unterton einer gewissen Verzweiflung, weil ihm nach dem gestrigen Abend der Kopf herumging wie ein Mühlrad und er in keiner Weise eine Antwort darauf fand, warum er eigentlich hier sitze, wieso er aus der Wachstube hergekommen sei und warum der Kerl, der vor ihm stand, solchen Blödsinn quatschte, der weder Hand noch Fuß hatte. Das alles kam ihm furchtbar komisch vor. Undeutlich erinnerte er sich, daß er schon einmal in der Nacht hier gewesen war, aber wozu?
    »War ich schon hier bei Nacht?« fragte er unsicher.
    »Zu Befehl, Herr Major«, antwortete Schwejk, »wie ich den Reden des Herrn Major entnommen hab, is mich, melde gehorsamst, der Herr Major verhören gekommen.«
    |749| Und da leuchtete es im Kopf des Majors auf, und er schaute auf sich selbst und dann hinter sich, als ob er etwas suchen würde.
    »Machen Sie sich nicht die geringsten Sorgen, Herr Major«, sagte Schwejk, »Sie sind grad so aufgekommen, wie Sie hergekommen sind. Sie sind ohne Mantel gekommen, ohne Säbel und mit der Mütze. Die Mütze is dort, ich hab sie Ihnen aus der Hand nehmen müssen, weil Sie sich ham untern Kopf geben wolln. Eine Paradeoffiziersmütze, das is so wie ein Zylinder. Aufn Zylinder schlafen, das hat nur ein gewisser Herr Karderaz in Lodĕnic getroffen. Der hat sich im Wirtshaus auf den Bauch ausgestreckt, hat sich den Zylinder untern Kopf gegeben, er hat nämlich bei Begräbnissen gesungen und is auf jedes Begräbnis im Zylinder gegangen; er hat sich also hübsch den Zylinder untern Kopf gegeben und hat sich suggeriert, daß er ihn nicht durchdrücken darf, und hat die ganze Nacht auf irgendeine Art mit einem unbedeutenden Körpergewicht über ihm geschwebt, so daß es dem Zylinder überhaupt nicht geschadet hat, sondern noch eher genützt hat, weil er ihn, wie er sich von einer Seite auf die andere umgedreht hat, langsam mit seinen Haaren gebürstet hat, bis er ihn ausgebügelt

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