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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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dir, damit, wenn du schon so verkommen bist, deine Schande nicht öffentlich den Vorübergehenden preisgeben mußt, damit dich in der Nacht nicht irgendwo die Patrouille erwischt, daß du dann drei Tage lang auf der Polizeidirektion den Boden waschen mußt. So bleibst du wenigstens im Warmen, und niemand sieht, wie tief du schon gesunken bist.‹ Er hat sichs bei den Gästen eingebracht, obzwar er nicht Geld nehmen wollt wie ein Zuhälter. Er hat seine Taxe gehabt: Blaue Augen ham einen Sechser gekostet, schwarze fünfzehn Kreuzer, und er hat das alles geradezu detailliert, wie eine Rechnung hat ers auf einem Stückel Papier ausgerechnet, was er dem Gast gereicht hat. Es waren sehr mäßige Vermittlungsgebühren. Auf ein Frauenzimmer ohne Intelligenz hats einen Zuschlag von einem Sechser gegeben, weil er von dem Grundsatz ausgegangen is, daß so ein ordinäres Waserl mehr unterhält als irgendeine gebildete Dame. Einmal gegen Abend kommt Ihnen der Herr Faustin sehr aufgeregt und außer Rand und Band zu mir in die Opatowitzergasse, wie wenn man ihn grad unter dem Schutzrahmen von der Elektrischen herausgezogen und ihm dabei die Uhr gestohlen hätt. Zuerst hat er überhaupt nichts gesprochen; er hat nur eine Flasche Rum aus der Tasche herausgezogen, hat getrunken, hat sie mir gereicht und gesagt: ›Trink!‹ So hamr nichts gesprochen, erst bis wir |741| die Flasche ausgetrunken gehabt ham, sagt er auf einmal: ›Ka merad , sei so gut, tu mir was zu Gefalln. Mach das Fenster auf die Gasse auf, ich wer mich aufs Fenster setzen, und du packst mich bei den Füßen und wirfst mich ausn dritten Stock herunter. Was andres brauch ich schon nicht vom Leben, ich will nur den letzten Trost ham, daß sich ein guter Kamerad gefunden hat, was mich in eine bessere Welt schafft. Ich kann nicht länger leben in dieser Welt, ich, ich ehrlicher Mensch bin wegen Kuppelei angeklagt wie irgendein Zuhälter aus der Judenstadt. Unser Hotel ist doch erstklassig, alle drei Stubenmädchen und auch meine Frau ham Büchel und sind dem Herrn Doktor für die Visite keinen Kreuzer schuldig. Wenn du mich nur bißchen gern hast, wirf mich ausn dritten Stock herunter, gewähr mir diesen letzten Trost.‹ Ich hab ihm gesagt, er soll also aufs Fenster klettern, und hab ihn auf die Straße heruntergeworfen. – Erschrecken Sie nicht, Herr Feldkurat.«
    Schwejk stieg auf die Pritsche, wobei er den Feldkuraten mit sich zog. »Sehn Sie, Herr Feldkurat, so hab ich ihn gepackt und schups mit ihm herunter.«
    Schwejk hob den Feldkuraten in die Höh, ließ ihn auf den Fußboden fallen und fuhr unentwegt fort, während der erschrockene Feldkurat auf dem Boden seine Knochen zusammenklaubte: »Sehn Sie, Herr Feldkurat, daß Ihnen nix geschehn is, und ihm auch nicht, dem Herrn Faustin, nämlich es war nur ungefähr dreimal so hoch. Nämlich der Herr Faustin war Ihnen vollständig besoffen und hat vergessen, daß ich in der Opatowitzergasse ganz niedrig im Erdgeschoß gewohnt hab und nicht mehr im dritten Stock, wie ein Jahr vorher, wie ich in der Křemenecgasse gewohnt hab und er zu mir auf Besuch gekommen is.«
    Der Feldkurat schaute von der Erde entsetzt zu Schwejk empor, der, auf der Pritsche stehend, über ihm mit den Armen fuchtelte.
    Den Kuraten überkam der Gedanke, daß er es mit einem Wahnsinnigen zu tun habe, deshalb wandte er sich mit den Worten: »Ja, lieber Sohn, es war kaum dreimal so hoch«, langsam rücklings zur Tür, an die er plötzlich mit einem so fürchterlichen |742| Gebrüll zu trommeln begann, daß man ihm sofort öffnete.
    Schwejk sah durch das vergitterte Fenster, wie der Feldkurat in Begleitung der Wache eilig über den Hof schritt, wobei er heftig gestikulierte.
    Jetzt führen sie ihn wahrscheinlich auf die »Magorka« 1 , dachte Schwejk, sprang von der Pritsche und sang, im Stechschritt auf und ab marschierend:

    Den Ring, den du mir gegeben, den trag ich nicht mehr,
    Mordje, warum denn nicht?
    Bis ich bei meinem Regiment bin,
    Lad ich ihn in das Gewehr …

    Einige Minuten später meldete man den Feldkuraten bei General Fink. Beim General gab es wiederum große »Sit zung «, bei der zwei liebenswürdige Damen, Wein und Likör die Hauptrolle spielten.
    Sämtliche Offiziere, Mitglieder des Standgerichts waren hier versammelt – mit Ausnahme des gemeinen Infanteristen, der ihnen am Morgen die Zigaretten angezündet hatte.
    Der Feldkurat schwebte wiederum so märchenhaft wie ein Gespenst zu den Versammelten hinein. Er war bleich,

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