Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
daß man ihm Schwejk wieder vorführe.
»Also, was ist eigentlich mit dir los?« fragte der Oberst, als wäre alles Unangenehme von ihm abgefallen; ihm war so wohl und leicht zumut, als wälze er sich im Sand auf dem Meeresstrand herum.
Schwejk lächelte den Oberst freundschaftlich an und erzählte ihm seine ganze Odyssee; er sei Ordonnanz der 11. Marschkompanie des 91. Regiments und wisse nicht, was man dort ohne ihn anfangen werde.
Der Oberst lächelte gleichfalls und erteilte dann folgenden Befehl: Schwejk eine Soldatenkarte über Lemberg nach der Station Zoltanecz auszufertigen, wo morgen seine Marschkompanie eintreffen soll, und ihm im Magazin eine neue ärarische |761| Montur sowie sechs Kronen zweiundachtzig Heller als Menagerelutum auf die Reise auszuhändigen.
Als dann Schwejk in der neuen österreichischen Montur den Brigadestab verließ, um sich auf den Bahnhof zu begeben, saß Leutnant Dub beim Stab und war nicht wenig überrascht, als Schwejk sich streng militärisch bei ihm abmeldete, die Dokumente vorwies und besorgt fragte, ob er Oberleutnant Lukasch etwas von ihm bestellen solle.
Leutnant Dub raffte sich zu keiner anderen Bemerkung auf, als zu dem Wörtchen: »Abtreten!« Und als er dem sich entfernenden Schwejk nachschaute, murmelte er nur vor sich hin: »Du wirst mich noch kennenlernen, Jesusmaria, du wirst mich kennenlernen …«
Auf der Station Zoltanecz war das ganze Bataillon Hauptmann Sagners versammelt; nur die »Nachhut« von der 14. Kompanie fehlte, die beim Abmarsch aus Lemberg irgendwo verlorengegangen war.
Beim Betreten der Stadt befand sich Schwejk in einem vollständig neuen Milieu, denn hier war bereits an dem allgemeinen Treiben zu merken, daß man nicht allzuweit von der Front entfernt war, wo gekämpft wurde. Überall lag Artillerie und Train, aus jedem Haus traten Soldaten der verschiedensten Regimenter, zwischen denen gleichsam als Elite die Reichsdeutschen umhergingen und als Aristokraten an die Österreicher Zigaretten aus ihren reichen Vorräten verteilten. Bei der reichsdeutschen Küche auf dem Ringplatz standen sogar Fässer mit Bier, aus denen man den Soldaten zum Mittagessen und Abendbrot Bier in Krüge verzapfte; um die Fässer schlichen wie naschhafte Kätzchen die vernachlässigten österreichischen Soldaten mit ihren von dem schmutzigen Absud der gesüßten Zichorie aufgeblähten Bäuchen herum.
Gruppen von Juden mit Schläfenlöckchen, in langen Kaftans, zeigten einander die Rauchwolken im Westen und fuchtelten mit den Händen herum. Überall hieß es, daß es am Flusse Bug, in Uciszkow, Busk und Derewjan brenne.
Der Donner der Kanonen war deutlich hörbar. Bald darauf |762| hieß es wieder, daß die Russen von Grabow her Kamionka Strumilowa bombardierten, daß man den ganzen Bug entlang kämpfe und daß das Militär die Flüchtlinge anhalte, die wieder in ihre Heimat zurückkehren wollten.
Überall herrschte Verwirrung, und niemand wußte etwas Bestimmtes, man vermutete, daß die Russen wieder zur Offensive übergegangen seien und ihren ununterbrochenen Rückzug an der ganzen Front eingestellt hätten.
Jeden Augenblick führten die Posten der Feldgendarmerie irgendeine eingeschüchterte Judenseele wegen Verbreitung falscher und trügerischer Nachrichten zum Hauptkommando des Städtchens. Dort wurden dann die unglücklichen Juden bis aufs Blut geschlagen und mit zerdroschenem Hintern nach Haus gejagt.
Mitten in diese Verwirrung kam nun Schwejk und forschte im Städtchen nach seiner Marschkompanie.
Schon auf dem Bahnhof wäre er beinahe mit dem Etappenkommando in Konflikt geraten. Als er sich dem Tisch näherte, wo den Soldaten, die ihre Truppenteile suchten, Informationen erteilt wurden, schrie ihn irgendein Korporal vom Tisch her an, ob er am Ende wolle, daß er seine Marschkompanie für ihn suchen gehe. Schwejk sagte ihm, er wolle nur wissen, wo hier im Städtchen die 11. Marschkompanie des 91. Regiments einquartiert sei.
»Für mich is sehr wichtig«, bekräftigte Schwejk, »daß ich weiß, wo die 11. Marschkompanie is, weil ich die Ordonnanz von ihr bin.«
Zum Unglück saß am Nebentisch irgendein Stabsfeldwebel, der wie ein Tiger in die Höhe sprang und Schwejk anbrüllte: »Verfluchtes Schwein, du bist Ordonnanz und weißt nicht, wo deine Marschkompanie ist?«
Bevor Schwejk antworten konnte, verschwand der Stabsfeldwebel in der Kanzlei, und eine Weile später brachte er von dort einen dicken Oberleutnant mit, der so würdevoll aussah wie der
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