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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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galt als Regel, daß bei jedem Stab, bei dem Oberst Gerbich auftauchte, gestohlen und Allotria aller Art getrieben wurde.
    Auch jetzt drangen zugleich mit dem vorgeführten Schwejk die verschiedensten Chargen in die Kanzlei des Obersten und harrten der kommenden Dinge, während der Oberst die von dem Major aus Przemyśl verfaßte Zuschrift an den Brigadestab studierte.
    Leutnant Dub setzte jedoch in seiner gewohnten, reizenden Art seine Unterredung mit Schwejk fort: »Du kennst mich noch nicht, aber bis du mich kennenlernen wirst, wirst du vor Angst verrecken.«
    Der Oberst konnte aus dem Aktenstück des Majors nicht klug werden, denn der Major hatte es noch unter dem Eindruck einer leichten Alkoholvergiftung diktiert.
    Oberst Gerbich war aber trotzdem gut gelaunt, da die unangenehmen Schmerzen heute und gestern nicht eingetreten waren und seine Zehe sich ruhig verhielt wie ein Lämmchen.
    »Also was haben Sie eigentlich angestellt«, fragte er Schwejk in liebenswürdigem Tone, und Leutnant Dub fühlte einen Stich im Herzen, was ihn dazu bewog, statt Schwejks zu antworten.
    |759| »Dieser Mann, Herr Oberst«, stellte er Schwejk vor, »spielt sich auf einen Idioten auf, um mit seiner Blödheit seine Niedertracht zu bemänteln. Ich kenne zwar nicht den Inhalt der mit ihm eingelangten Akten, vermute aber nichtsdestoweniger, daß der Kerl wieder etwas angestellt hat, diesmal aber in größerem Maßstab. Wenn Sie erlauben, Herr Oberst, daß ich in den Inhalt des Aktenstückes Einblick nehme, könnte ich Ihnen entschieden eventuell bestimmte Direktiven geben, wie man mit ihm zu verfahren hat.«
    Sich an Schwejk wendend, sagte er zu ihm auf tschechisch: »Du saugst mir das Mark aus den Knochen, nicht wahr?«
    »Jawohl«, antwortete Schwejk würdevoll.
    »Da haben Sie ihn, Herr Oberst«, fuhr Leutnant Dub auf deutsch fort. »Sie können ihn nach nichts fragen, Sie können mit ihm überhaupt nicht sprechen. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht, und man wird ihn exemplarisch bestrafen müssen. Erlauben Sie, Herr Oberst …« Leutnant Dub vertiefte sich in das von dem Major in Przemyśl verfaßte Aktenstück, und als er zu Ende gelesen hatte, rief er Schwejk feierlich zu: »Jetzt ist Schluß mit dir. Wohin hast du die ärarische Uniform gegeben?«
    »Ich hab sie auf dem Teichdamm gelassen, wie ich probiert hab, wie sich die russischen Soldaten in diesen Hadern fühlen müssen«, antwortete Schwejk, »das Ganze is eigentlich nichts anderes wie ein Irrtum.«
    Schwejk fing an, Leutnant Dub zu erzählen, was er wegen dieses Irrtums alles erlitten hatte, und als er schloß, brüllte ihn Leutnant Dub an: »Jetzt wirst du mich erst kennenlernen. Weißt du, was das ist, ärarisches Eigentum zu verlieren, du Fallott, weißt du, was das heißt, im Krieg die Uniform zu verlieren?«
    »Melde gehorsamst, Herr Lajtnant«, antwortete Schwejk, »ich weiß, wenn ein Soldat eine Uniform verliert, muß er eine neue fassen.«
    »Jesusmaria«, schrie Leutnant Dub, »du Ochs, du Vieh, du wirst dich so lange mit mir spielen, daß du nach dem Krieg noch hundert Jahre nachdienen wirst.«
    Oberst Gerbich, der bisher still und rechtschaffen hinter |760| dem Tisch gesessen hatte, schnitt plötzlich eine gräßliche Grimasse, denn seine bisher ruhige Zehe hatte sich plötzlich aus einem sanften und ruhigen Lämmchen durch einen Gichtanfall in einen brüllenden Tiger, in einen elektrischen Strom von 600 Volt, in ein von einem Schotterhammer langsam zermalmtes Glied verwandelt. Oberst Gerbich winkte nur mit der Hand und brüllte mit der fürchterlichen Stimme eines allmählich auf dem Rost gebratenen Menschen: »Alle heraus! Reichen Sie mir den Revolver!«
    Das kannten bereits alle, deshalb stürzten sie samt Schwejk, den die Wache auf den Gang schleppte, aus dem Zimmer. Nur Leutnant Dub blieb und wollte noch in dieser ihm günstig scheinenden Stunde gegen Schwejk hetzen, deshalb sagte er dem grimassenschneidenden Oberst: »Ich erlaube mir, Sie darauf aufmerksam zu machen, Herr Oberst, daß dieser Mann …«
    Der Oberst miaute und warf das Tintenfaß auf Leutnant Dub, worauf dieser erschrocken salutierte, »allerdings, Herr Oberst«, sagte und in der Tür verschwand.
    Dann drang aus der Kanzlei des Obersten lange hindurch Gebrüll und Gewinsel, bis das schmerzliche Jammern schließlich verstummte. Die Zehe des Obersten hatte sich plötzlich wieder in ein ruhiges Lämmchen verwandelt, der Gichtanfall war vorüber, der Oberst klingelte und befahl,

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