Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
dein Urgroßvater von einem Franzosen gekauft hat, wie er aus Moskau flüchtete, so laß ich dich einsperren, und du wirst spinnen, bis der Jüngste von deiner Familie der Älteste sein wird.«
Während sie bei jedem Schluck den unternehmungslustigen Juden verfluchten, saß Schwejk schon in der Bataillonskanzlei, wo sich niemand anders befand als der Einjährigfreiwillige Marek, der als Bataillonshistoriker die Rast des Bataillons in Zoltanecz benutzt hatte, um auf Vorrat einige siegreiche Kämpfe zu beschreiben, die unbedingt in der Zukunft stattfinden mußten.
Vorläufig entwarf er nur diverse Skizzen, und als Schwejk eintrat, hatte er gerade niedergeschrieben: »Wenn vor unserem geistigen Auge all die Helden auftauchen, die an dem Kampf bei dem Dorfe N., wo an der Seite unseres Bataillons ein Bataillon des Regimentes N. und ein zweites Bataillon des Regimentes N. kämpften, teilgenommen haben, dann erkennen wir, daß unser n-tes Bataillon die glänzendsten strategischen Fähigkeiten an den Tag legte und unstreitig zu dem Siege der n-ten Division beigetragen hat, die die Aufgabe hatte, unsere Linie im Abschnitt N. definitiv zu festigen.«
»No also, siehst du«, sagte Schwejk zum Einjährigfreiwilligen, »ich bin schon wieder da.«
»Erlaube, daß ich dich beschnuppere«, sagte der Einjährigfreiwillige Marek angenehm berührt, »hm, du stinkst wirklich nach Kriminal.«
|768| »Wie gewöhnlich«, sagte Schwejk, »war es nur ein kleines Mißverständnis; und was machst du?«
»Wie du siehst«, antwortete Marek, »werfe ich die heldenmutigen Retter Österreichs aufs Papier, aber es will mir irgendwie nicht klappen, lauter Schweinedreck kommt heraus. Ich unterstreiche darin das ›N‹, ein Buchstabe, der sowohl in der Gegenwart wie in der Zukunft eine ungewöhnliche Bedeutung in sich birgt. Außer meinen früheren Eigenschaften hat Hauptmann Sagner noch ein ungewöhnliches mathematisches Talent in mir entdeckt. Ich muß die Bataillonsrechnungen kontrollieren und bin bisher zu dem Rechnungsabschluß gekommen, daß das Bataillon vollständig passiv ist und nur darauf wartet, sich mit seinen russischen Gläubigern ausgleichen zu können, da nach einer Niederlage, ebenso wie nach einem Sieg, am meisten gestohlen wird. Übrigens ist das alles Wurscht. Auch wenn wir bis auf den letzten Mann aufgerieben werden sollten, hier sind die Dokumente über unsern Sieg, denn ich als Bataillonsgeschichtsschreiber habe die Ehre, schreiben zu dürfen: ›Eine neuerliche Wendung gegen den Feind, der bereits geglaubt hatte, der Sieg sei auf seiner Seite. Ein Ausfall unserer Krieger und ein Bajonettangriff waren das Werk eines Augenblicks. Der Feind flieht verzweifelt, wirft sich in die eigenen Schützengräben, wir stechen ohne Gnade in ihn hinein, so daß er in Unordnung seine Schützengräben verläßt und in unseren Händen verwundete und unverwundete Gefangene zurückläßt. Es ist einer der feierlichsten Augenblicke. Wer es überlebt, schreibt per Feldpost eine Karte nach Hause: »Haben übern Arsch gekriegt, teure Frau! Ich bin gesund. Hast du schon unsern Fratz abgestillt? Lehr ihn nur nicht fremden Leuten ›Vater‹ sagen, da das für mich traurig wäre.«‹ Die Zensur streicht dann auf der Karte das: ›Haben übern Arsch gekriegt‹, da man nicht weiß, um wen es sich handelt und im Hinblick auf die unklare Ausdrucksweise mancherlei kombinieren könnte.«
»Die Hauptsache is, klar sprechen«, bemerkte Schwejk. »Wie die Missionäre im Jahre 1912 beim heiligen Ignaz in Prag gepredigt ham, da war dir dort ein Prediger, und der hat von der Kanzel herunter gesagt, daß er wahrscheinlich niemanden |769| im Himmel wiedersehn wird. Und bei diesem Abendexerzitium war ein Klempner namens Kulischek zugegen, und der hat nach der Andacht im Gasthaus erzählt, daß der Missionär herich viel Sachen hat anstellen müssen, wenn er in der Kirche, wie bei einer öffentlichen Beichte ankündigt, daß er niemanden im Himmel wiedersehen wird; warum man solche Leute auf die Kanzel schickt. Man soll immer klar und deutlich sprechen und nicht in solchen Schnörkeln. Beim ›Brejschka‹ war vor Jahren ein Kellermeister, und der hat in der Gewohnheit gehabt, wenn er in Wut war und nach der Arbeit nach Haus gegangen is, sich in einem Nachtcafé aufzuhalten und fremden Gästen zuzutrinken und immer beim Zutrinken zu sagen: ›Wir wern uns auf euch, ihr werdet euch auf uns …‹ Dafür hat er mal von einem anständigen Herrn aus Iglau so eins
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