Die Abenteuer des Röde Orm
geschickter Tischler und Schmied und verstand sich darauf, Wildbret in Fallen und Schlingen zu fangen, und über dieses alles rief Vater Willibald jeden Abend den Segen Gottes herab. Das einzige, worüber Orm hätte klagen können, war, daß er nun fern vom Meere wohnte; denn ein Mann wie er, sagte er, könne mitunter mißmutig werden, bloß weil er ringsum nur das Murmeln des Waldes hörte, ohne je die Stimme des sommerlichen Meeres zu vernehmen und dessen salzigen Hauch zu spüren.
Doch mitunter kam es vor, daß böse Träume ihn heimsuchten. Dann konnte sein Schlaf so unruhig werden, daß Ylva ihn schüttelte und ihm mit Fragen zusetzte: ob er den Alpdruck habe oder was sonst ihn plage? Wenn er dann erwachte und sich durch Bier gestärkt hatte, erzählte er ihr zuweilen, daß er im Traum wieder auf dem maurischen Schiff gewesen war, wo scharf gerudert wurde und wo narbengefurchte Rücken sich unter Peitschenschlägen und Stöhnen über den Rudern krümmten; und am Tage nach einem solchen Traum saß er gern bei Rapp in der Tischlerstube und redete mit ihm – der nie träumte – von den Erinnerungen an jene Zeit.
Aber noch schlimmer waren für ihn die Träume von König Sven. Denn das maurische Schiff war bloß ein Erinnern, aber mit König Sven und dessen Rache stand es anders, und Träume von ihm konnten bevorstehendes Unglück bedeuten. Nach einem solchen Traum war seine Besorgnis groß; er erzählte Äsa und Vater Willibald alles haargenau und bat sie, bei der Deutung des Traumes mitzuhelfen.
Einmal hatte er König Sven böse lachend am Vordermast eines riesigen Schiffes gesehen, das näher und näher herankam, während er selbst, der nur wenige Mann an den Rudern hatte, vergebens auszuweichen versuchte. Das andere Mal hatte er ohnmächtig im Finstern gelegen und Ylva, die man hinwegtrug, rufen und jammern hören; dann hatte er König Sven bei Feuerschein und mit dem Schwert Blauzunge in der Hand auf sich zukommen sehen – und dann war er erwacht. Äsa und Vater Willibald meinten beide, daß solche Träume etwas bedeuten könnten, und als Äsa den letzten hörte, fing sie zu weinen an. Aber nach einigem Nachdenken wurde sie ruhiger.
»Es mag ja sein«, sagte sie, »daß du die Gabe des Wahrträumens von mir geerbt hast, und mir scheint das nicht gerade ein Erbe von besonderem Wert zu sein; denn ich selbst habe von dieser Gabe nie Nutzen gehabt, sondern nur noch mehr Ärger und Plage als andere Leute. Eins aber tröstet mich: daß ich selbst nichts geträumt habe, was auf bevorstehendes Unglück deuten könnte. Denn dein Unglück wäre in Wahrheit auch meines; und wenn dir und deinem Hause irgend etwas drohte, dann hätte ich es gewiß im Schlaf erfahren.«
»Ich glaube«, sagte Vater Willibald, »daß König Sven mit anderem genug beschäftigt ist und wenig Zeit hat, um dir in diesen entlegenen Gegenden nachzuspüren. Bedenke doch, daß ich es bin, der bei ihm am meisten auf dem Kerbholz hat. Denn es war meine Hand, die ihn mit dem Steine traf, gleichwie der Gottesknecht David den Heiden Goliath; und dennoch hat mir jetzt nichts Schlimmes geträumt. Allerdings: die Wege der Bosheit sind krumm und lang, und es ist stets am besten, sich vorzusehen.«
Orm stimmte ihm zu; er wandte viel Sorgfalt an das Befestigen des Pfahlwerks und sah zu, daß das große Tor sich durch Querbalken verrammeln ließ, damit man ruhiger schlafen konnte. Und bald hörte er auf, diesen Träumen nachzusinnen; statt dessen überlegte er die Zurüstungen für das große Fest, durch das die Taufe seines Sohnes gefeiert werden sollte.
Der Name des Neugeborenen machte ihm kein Kopfzerbrechen: er sollte Harald heißen.
»Vielleicht«, sagte Orm, »daß ich ihm ein großes Schicksal auferlege dadurch, daß ich ihm den Namen eines Königs gebe. Aber nur wenige haben so viel Glück gehabt wie König Harald oder so großen Ruhm gewonnen wie er. Und nur ein einziger von allen Häuptlingen, denen ich begegnet bin, und das war Almanzur von Andalusien, ist an Weisheit seinesgleichen gewesen. Daher würde ich schlimm gegen meinen Sohn handeln, wenn ich ihm den Namen verweigerte, den sein Großvater getragen hat.«
»Nur eines ängstigt mich, wenn du ihn Harald nennst«, sagte Ylva, »nämlich daß er vielleicht ebenso maßlos sein wird wie mein Vater, wenn es Frauen gilt, denn er hat deren nie genug haben können. Das mag sich für einen König schicken, schwerlich aber für andere.«
»Er wird stark werden und von guter Gestalt sein«,
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