Die Abenteuer des Röde Orm
angefangen, und die Männer und Pferde hielten ein Stück vor dem Tor, während ein Mann herankam, nach Orm fragte und um ein Nachtlager bat. Die Hunde hatten rechtzeitig angeschlagen, und Orm stand mit Rapp und dem Priester am Tor, neben ihnen fünf Männer vom Hofgesinde; mit Ausnahme von Vater Willibald waren sie alle gut bewaffnet. Der Mann, der jetzt an sie herantrat, war hoch von Wuchs und mager; ihn umhüllte ein weiter Mantel. Er strich sich den Regen aus den Augen und sagte: »Solch ein Regen ist für Händler schlimm, denn da halten weder Ballen noch Ledersäcke dicht; und ich führe Salz und Tuch, also Waren, die Nässe schlecht vertragen. Daher bitte ich dich, Orm, obschon ich hier fremd bin, um Schutz für die Waren und um Obdach für mich und meine Leute. Und der diese Bitte tut, ist wahrlich kein Landstreicher. Ich bin Östen, Ugges Sohn, von Örestad in Finnveden und vom Geschlechte Grims des Langen; und mein Oheim war Styr der Weise, von dem man überall gehört hat.«
Während er redete, betrachtete Orm ihn genau.»Du hast eine große Gefolgschaft«, sagte er.
»Und doch hab ich mitunter gemeint, sie sei zu klein«, antwortete Östen; »denn ich führe kostbare Ware, und für Handelsleute sind diese Gegenden nicht gerade die sichersten. Bisher ist aber alles gut gegangen, und ich hoffe, es bleibt dabei. Mag sein, daß sich in meinen Packen dies und jenes findet, was du oder deine Hausfrau gern kaufen würdest.«
»Bist du getauft?« fragte Vater Willibald.
»O nein«, antwortete Östen schnell; »weder ich noch einer meiner Leute. Wir alle sind ehrbare Leute.«
»Du redest, so gut du’s eben verstehst«, sagte Orm streng. »Wir alle hier sind getauft, und der dich fragte, ist ein Priester Christi.«
»Dergleichen kann ein Fremdling nicht wissen«, sagte Östen gefügig; »aber nun fällt mir ein, daß ein Wanderer mir gesagt hat, es gäbe hier auf dem Hof einen Priester. Das hatte ich vergessen, da er am meisten von dir, Orm, zu berichten hatte, nämlich von deinem großen Ruf und deiner Gastfreiheit.«
Der Regen nahm zu, und man hörte es in der Ferne donnern. Östen blickte zu seinen Waren hinüber und sah bekümmert aus. Seine Leute standen wartend und mit den Rücken gegen den Wind bei den Pferden; sie hatten sich die Mäntel über die Köpfe gezogen, und der Regen umgab sie wie Rauch.
Rapp verzog lachend den Mund. »Nun ist das Salz wahrscheinlich billig geworden«, sagte er.
Orm sagte: »Du magst von gutem Geschlecht sein, Smaländer, und ich will dir nichts Böses zutrauen; aber elf bewaffnete Fremde scheinen mir als Nachtgäste allzu viele für meinen Hof; obschon ich nur ungern die Gastfreiheit schmälere. Und ich glaube nicht, daß du mich tadeln kannst, weil ich das sage. Aber nun magst du selbst wählen zwischen zwei Dingen: entweder du ziehst weiter und suchst dir ein Nachtlager, wo du kannst; oder du läßt dich mit deinen Männern und Waren im Badehause unterbringen, nachdem ihr eure Waffen hier bei mir am Tor niedergelegt habt.«
»Das sind schwere Bedingungen«, sagte Östen, »denn damit gebe ich mich und meinen Reichtum in deine Hand, und dergleichen tut niemand gern. Aber du scheinst mir doch allzusehr Häuptling zu sein, als daß du heimtückisch an mir handeln wolltest, und mir bleibt keine Wahl. Darum mag es gehen, wie du willst.«
Damit nahm er sein Schwert aus dem Gehänge und legte es nieder, und seinen Leuten rief er zu, die Waren schnell unter Dach zu schaffen. Das geschah nun in großer Eile, und alle mußten, als sie den Hof betraten, ihre Waffen ausliefern. Die Pferde wurden auf dem Grasland am Fluß angetüdert, denn zu dieser Jahreszeit waren Wölfe hier nicht zu fürchten.
Als alles in Ordnung gebracht war, lud Orm die Fremden zu Essen und Bier ein. Dann feilschte er mit Östen um Salz und Tuch und fand in ihm einen ehrlichen Kaufmann, der für seine Waren nicht viel mehr verlangte, als was bei vernünftigen Leuten für recht und billig gelten konnte. Sie tranken in Eintracht auf den Handel, und dann erklärte Östen, daß er und seine Leute nach einem langen Tag müde seien; sie dankten für die Bewirtung und suchten ihre Schlafplätze auf.
Nun nahm das Unwetter zu und nach einer Weile hörte man in der Nachthürde bei den Wirtschaftsgebäuden das Vieh brüllen. Rapp und der Viehknecht gingen hinaus, um nachzusehen, ob die unruhigen Tiere etwa ausgebrochen seien. Es war nun dunkel, bloß hin und wieder blitzte es, und Rapp und der Knecht umschritten
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