Die Abenteuer des Röde Orm
Töchter das Schicksal auferlegen, von Smaländern oder sonst wem geraubt zu werden. Als aber Willibald zu dieser Ratsversammlung kam, sagte er unverzüglich, daß Ludmilla ein schöner und glückbringender Name sei, denn eine heilige Fürstin im Lande Moravien habe ihn zu Zeiten des alten Kaisers Otto getragen. So blieb es denn bei Ludmilla; und das Hausgesinde prophezeite seltsame Schicksale dem Mädchen, das mit einem noch nie gehörten Namen genannt werden sollte.
Als die beiden Mädchen kräftig genug geworden waren, wurden sie unter ihrem großen Geschrei von Vater Willibald getauft. Sie wuchsen, waren gesund und guter Dinge und rollten bald mit den großen irischen Hunden, die Orm mitgebracht hatte, auf denn Fußboden umher; oder sie rissen sich um Puppen und Tiere, die Rapp und Vater Willibald für sie geschnitzt hatten. Äsa liebte sie über alles und hatte mit ihnen ungewöhnlich viel Geduld; aber Orm und Ylva hätten mitunter kaum sagen können, welche von beiden bösartiger und eigensinniger zu werden versprach. Mit der Zeit bekam Ludmilla oft zu hören, daß sie, die den Namen einer Heiligen trug, dessen allzuwenig eingedenk sei. Die Mädchen hielten gut zusammen, obschon sie sich gern in die Haare fuhren; aber wenn eine von ihnen die Rute zu schmecken bekam, stand die andere daneben und schrie ebenso laut wie die Schwester.
Im Sommer des nächsten Jahres wurde Orm mit dem Bau der Kirche fertig. Sie stand im Schutz der anderen Gebäude an der äußersten Spitze der Landzunge und war so groß angelegt, daß sie 60 Menschen faßte, allerdings begriff niemand recht, woher denn so viele Leute sich einfinden sollten. Nun zog Orm noch quer über die ganze Halbinsel einen mit doppeltem Pfahlwerk gekrönten Wall, in dessen Mitte er ein starkes Tor anbrachte; denn je mehr er mit der Zeit bauen ließ, desto besorgter wurde er um die Sicherheit seines Hofes; er wollte wohl vorbereitet sein, wenn es galt, Grenzräubern standzuhalten oder den Leuten, die König Sven vielleicht dereinst heraufschicken würde.
Als alles fertig dastand, erfreute Ylva sich selbst und die anderen durch die Geburt eines Sohnes. Äsa sagte: das sei Gottes Segen für den Kirchenbau, und Orm stimmte ihr bei.
Der Neugeborene war an Leib und Gliedern ohne Fehl und hatte von Anfang an eine starke Stimme, und alle meinten, daß er das Zeug zu einem Häuptling habe, da er nicht nur von König Haralds Geschlecht, sondern auch von dem des »Weitgreifenden« war. Als er seinem Vater gebracht wurde, nahm Orm das Schwert Blauzunge vom Wandhaken und zog es aus der Scheide; und Mehl und einige Körner Salz wurden auf die Schneide gestreut. Dann hielt Äsa das Kind vorsichtig zum Schwerte hin, so daß es das Dargebotene mit Lippen und Zunge berührte. Vater Willibald stand mit düsterer Miene dabei; er schlug das Kreuz über dem Kinde und sagte: so unchristlicher Brauch, mit blanker Klinge ausgeführt, sei böses Tun und verdiene schweren Tadel. Aber damit fand er keinen Anklang, und sogar Ylva, die noch schwach und müde dalag, mischte sich eifrig ein und rief, er habe unrecht in dieser Sache.
»So ist es bei Edelgeborenen Brauch«, sagte sie, »und es macht hochgesinnt und furchtlos und bringt Waffenglück, dazu auch die Gabe, die Worte geschickt zu wählen. Und nach allem, was du erzählt hast, stimmt es ganz und gar nicht zu Christi Art, einem Menschenkinde solche Gaben nicht zu gönnen.«
»So will es eine uralte Sitte«, sagte Orm, »und die Vorfahren, wenn sie von Christus auch nichts gewußt haben, waren doch in vielem sehr weise. Auch mir hat man die erste Mahlzeit gereicht, indem man mich die Schwertschneide lecken ließ, und meinem Sohn, der obendrein König Haralds Enkel ist, soll es nicht schlechter ergehen als mir.«
Dabei blieb es, wenn auch Vater Willibald den Kopf dazu schüttelte und sich darüber verwunderte, wie aufdringlich der Teufel sich in diesem Lande gebärdete.
Wie man sich zum großen Tauffest für König Haralds Enkel rüstete
Zu jener Zeit war es Orm so wohl wie noch nie, denn alles ließ sich für ihn gut an. Seine Äcker brachten gute Ernten; das Vieh gedieh, Vorratshaus und Truhen füllten sich; und nun hatte er obendrein einen Sohn bekommen, ja, er konnte auf noch mehr Söhne hoffen, und Ylva und die Kinder waren gesund und munter. Er selbst hielt seine Leute sorgfältig dazu an, schon beim ersten Morgengrauen jede Faulheit abzuschütteln; Äsa ließ die Mägde in der Milchkammer nicht aus den Augen; Rapp war ein
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