Die Abenteuer des Röde Orm
Anblick fliehen sollen, wie das der Gottesmann Joseph in Potiphars Haus getan; aber der hatte gewiß den Ovidius nie gelesen, und so fiel es ihm leichter als mir. Schaute ich sie an, so sprach nun aus meinen Blicken nicht mehr fromme Keuschheit, sondern Sünde und Begier, so daß ich erbebte, wenn sie mir nahe kamen; aber jung und unerfahren wie ich war, wagte ich dennoch nichts vorzunehmen. Aber diese Frauen waren von sündigen Gedanken ebenso erfüllt wie ich, dazu waren sie noch viel dreister und ließen den Mut nicht sinken. Eines Nachts erwachte ich in meiner Kammer davon, daß eine Frau zu mir ins Bett stieg. Vor banger Freude fand ich kein Wort, aber sie flüsterte mir zu, daß ein Gewitter im Anzüge sei und daß sie große Furcht habe. Zugleich umschlang sie mich und begann mich heftig zu küssen. Ein heller Blitz zeigte mir, daß es Apostolica war; und obschon mir selbst bei Gewittern sonst sehr bange ist, hatte ich keine Zeit, nun an dergleichen zu denken. Aber nach einer Weile, nachdem ich mit ihr eine Liebeslust genossen, die weit süßer war als des Ovidius sämtliche Gesänge, hörte ich das Gewitter näher herankommen; da faßte mich großer Schrecken, denn ich meinte, nun würde Gott der Herr mich mit seinem Blitzstrahl treffen. Aber nichts dergleichen geschah; und in der nächsten Nacht, als Alchmunda, nicht weniger eifrig als ihre Schwester, zu mir kam, war kein Gewitter zu hören; und von Lust mehr und mehr benommen, gab ich mich verhärteten Gemütes und froh den sündigen Freuden hin. Diese Frauen waren freundlich und wohlgesinnt; sie zankten nie, weder mit mir noch untereinander, und abgesehen von ihrer Geilheit war an ihnen nichts Böses. Auch fühlten sie weder Furcht noch Reue, und ihre einzige Angst war, daß die Mägde merken könnten, wie sie es trieben. Aber der Teufel stand ihnen treulich bei; denn gibt es wohl eine größere Freude für den, als einen Diener Christi zu Fall zu bringen?
Als nun Ostern herannahte, ging das ganze Hausgesinde der Reihe nach bei mir zur Beichte, und zuletzt kamen auch Alchmunda und Apostolica. Ernsthaft legten sie dar, was zwischen uns geschehen war, und ich war gezwungen, ihnen Gottes volle Vergebung zu erteilen. Das zu tun, war aber eine ganz grausige Sache, denn obgleich nun alle Sünde einzig auf mir lastete, so war mir doch, als habe ich Gott betrügen wollen.«
»Ich hoffe sehr, daß du dich seitdem gebessert hast«, sagte Vater Willibald streng.
»Auch ich hoffe das«, antwortete der Magister, »aber was die Seherin von den drei Sünden gesagt hat, wird ja doch mein Schicksal sein. Immerhin war ich dem Teufel doch noch nicht völlig ins Garn gegangen, denn jeden Tag hielt ich, wie ich’s versprochen hatte, Fürbitte für den Kaufmann, damit ihm unterwegs nichts Gefährliches zustoße und er glücklich heimkommen möge, und um meine große Angst und Reue zu lindern, tat ich’s schließlich sogar zweimal am Tag. Aber die Angst wurde immer schlimmer, und in der Nacht nach dem Auferstehungstage konnte ich’s endlich nicht länger ertragen: ich entfloh aus dem Hause und aus der Stadt. Bettelnd zog ich dahin, bis ich nach Hause zu meiner Mutter gelangte. Sie war eine fromme Frau, und als ich ihr alles erzählt hatte, weinte sie sehr; aber dann fing sie an, mich zu trösten, und meinte, es sei nicht zu verwundern, daß mein Anblick die Frauen verwirre und daß dergleichen ja wohl öfter geschehe, als die Leute sich’s dächten. Das einzige, was ich nun tun könne, sagte sie, sei: zum guten Dompropst zurückzukehren und ihm zu sagen, wie alles sich zugetragen habe. Gestärkt durch ihren Segen machte ich mich auf den Weg. Der Dompropst Rumold schaute mich groß an und wollte wissen, warum ich zurückkehrte; und unter Tränen erzählte ich ihm wahrheitsgetreu alles, von Anfang bis zu Ende. Er brummte böse, als er erfuhr, daß ich ohne seine Erlaubnis Ovidius gelesen hatte; aber als ich zu dem kam, wie es mir mit den beiden Frauen ergangen war, da schlug er sich auf die Knie und brach in schallendes Gelächter aus. Ich mußte ihm davon sehr genau berichten und ob die beiden Frauen denn auch mit mir zufrieden gewesen seien; und dann seufzte er und sagte, die Jugend sei doch die beste Zeit und mehr wert als die beste Dompropstei im ganzen Kaiserreich. Aber als ich weitererzählte, verfinsterte sich sein Gesicht immer mehr, und als ich zu Ende war, schlug er mit der Faust auf den Tisch und schrie, ich hätte mich schwer vergangen und in dieser Sache habe
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