Die Abenteuer des Röde Orm
der Bischof zu entscheiden. Als wir zum Bischof kamen und der alles gehört hatte, teilte er die Meinung des Dompropstes, daß ich mich schwer vergangen und zweifach meine Amtspflicht verletzt habe: einmal, weil ich geflohen war von dem Ort, an den er mich gesandt hatte, und zweitens, weil das Beichtgeheimnis verletzt worden war dadurch, daß ich meiner Mutter die Sache mit den Frauen erzählt hatte. Meine Hurerei, sagten sie, sei gewiß eine ernste Verfehlung, aber doch nicht schlimmer, als was man gewohnt sei, und kaum der Rede wert neben dem anderen, das nur durch strenge Buße gesühnt werden könne. Da ich aber aus Unverstand und nicht aus bösem Willen gehandelt habe, gedächten sie so milde wie möglich mit mir zu verfahren. Sie ließen mich zwischen drei Bußübungen wählen: entweder ein Jahr lang Seelsorger der Aussätzigen im großen Hospital bei Jülich zu sein oder als Pilgrim ins Heilige Land zu ziehen und Öl vom Ölberge und Wasser aus dem Jordan zur Krönungskirche heimzubringen oder aber bei der Bekehrung der Dänen mitzuwirken. Durch diese Milde fühlte ich mich gestärkt und brannte vor Begier, meine Schuld zu sühnen; daher wählte ich das Schwerste und wurde also zum Bischof Eckard nach Hedeby gesandt. Er nahm mich freundlich auf und machte mich um meiner Gelehrsamkeit willen bald zum Domherrn. Als Magister an der Schule, die er gegründet hatte, des frommen Dienstes beflissen, blieb ich bei ihm zwei Jahre, bis wieder mein Schicksal mich erreichte und ich meine zweite Sünde beging.«
»Mit deinen Sünden und deinen tollen Frauen bist du mir eine ganz neue Priesterart«, sagte Orm. »Aber wir haben noch immer nicht zu hören bekommen, warum du jetzt umherstreifst.«
»Warum hast du dich denn nicht verheiratet wie jeder vernünftige Mensch?« fragte Ylva. »Da deine Lust nach Frauen ja doch so groß ist.«
»Manche Leute meinen, Priester sollten lieber unverheiratet bleiben«, sagte der Magister. »Auch euer eigener Priester hat ja keine Frau; aber er mag heiliger sein als ich und den Versuchungen besser standhalten.«
»Ich habe anderes zu tun gehabt, als an Frauen zu denken«, sagte Vater Willibald, »und jetzt bin ich gottlob alt genug, um vor derlei Versuchungen sicher zu sein. Aber in dieser Sache waren sogar die heiligen Apostel verschiedener Meinung. Der heilige Petrus selbst ist verheiratet gewesen, und er hatte seine Frau sogar auf den Reisen ins Heidenland bei sich. Das freute aber den heiligen Paulus nicht, der unverheiratet blieb, und es mag sein, daß er daher mehr Zeit zum Briefeschreiben und zu längeren Reisen hatte. Seit langem schon haben heilige Männer sich überlegt, ob nicht Sankt Paulus im Recht gewesen ist, und die Äbte des heiligen Benedikt in Frankreich halten nun dafür, daß alle Priester unverehelicht und möglichst auch in Keuschheit leben sollten. Ich bin jedoch der Meinung, daß es lange dauern wird, bis alle Priester sich darein finden werden.«
»So ist es«, sagte der Magister. »Mir ist die Kundmachung des fränkischen Abtes Odo und seiner Anhänger bekannt: daß die Ehe für einen Diener Christi vom Übel ist, und ich halte ihre Ansicht für richtig. Aber die Schliche des Teufels sind zahlreich und von unermeßlicher Schlauheit. Ihr seht mich hier als einen Verstoßenen und als einen Wanderer in der Wildnis, nur weil ich mich geweigert habe, in die Ehe zu treten. Das war die zweite Sünde, die mir die Hexe geweissagt hat. Und grausig ist es, darüber nachzudenken, was wohl dereinst die dritte Sünde sein wird.«
Alle wollten nun gern hören, was ihm widerfahren sei, und nachdem Ylva ihm einen stärkenden Trunk gereicht hatte, begann er, von seiner zweiten Sünde zu berichten.
Von der zweiten Sünde des Magisters und von der Buße, die ihm auferlegt ward
»Es hängt damit zusammen«, begann er mit trauriger Stimme, »daß nicht weit von Hedeby eine Frau namens Thordis lebt. Sie ist von vornehmem Geschlecht und eine der reichsten jener Gegend, denn sie besitzt weite Gelände und große Herden; und als Heidin ist sie geboren und aufgewachsen. Obschon noch jung, war sie doch schon ihres Reichtums wegen dreimal verheiratet, und alle ihre Ehemänner sind eines gewaltsamen Todes gestorben, auf Heerzügen nämlich und in Fehden. Als der dritte erschlagen ward, überkam sie Unmut; sie kam freiwillig zum Bischof Eckard und sagte: nun wolle sie Rückhalt bei Gott suchen. Nachdem man sie unterwiesen hatte, wurde sie vom Bischof selbst getauft; und nachher kam sie
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