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Die Abenteuer des Röde Orm

Die Abenteuer des Röde Orm

Titel: Die Abenteuer des Röde Orm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frans Bengtsson
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Ich war der beste in Latein und in Liturgie, und mit einundzwanzig Jahren wußte ich die Evangelien und den Psalter auswendig und ebenso den größten Teil der Briefe an die Thessaloniker und die Galater, die den meisten allzu schwerfallen. Das trug mir ein hohes Lob des Dompropstes Rumold ein, und er machte mich zu seinem Diakon. Er war alt, hatte eine dröhnende Stimme und große hervorstehende Augen, so daß viele sich vor ihm fürchteten. Mit Ausnahme der christlichen Kirche waren es zwei Dinge, die er über alles in der Welt liebte: nämlich gewürzten Wein und Gelehrsamkeit. Er war in Wissenschaften bewandert, wie sie nur wenige bloß dem Namen nach kennen, da sie über die Maßen schwierig und selten sind; so in Astrologie, in Mantik und Algorithmie; und es hieß, daß er imstande sei, mit der Kaiserin Theophano in ihrer eigenen, der byzantinischen Sprache zu reden. Denn in jungen Jahren war er mit dem gelehrten Bischof Luitprand von Cremona im Morgenlande gewesen, und davon konnte er seltsame Dinge berichten. Er hatte sein Lebtag Bücher gesammelt und besaß deren über siebzig; und oft, wenn ich ihm abends den gewärmten Wein auf die Stube brachte, unterwies er mich in gelehrten Dingen oder ließ mich laut aus den Werken zweier alter Dichter vorlesen. Der eine hieß Statius; der besang mit schwerverständlichen Worten die ehemaligen Kriege der Byzantiner bei einer Stadt namens Theben. Der andere aber, der Ermoldus Nigellus hieß, war leichter zu verstehen; er besang den frommen Kaiser Ludwig, den Sohn Kaiser Karls des Großen, und seine Heerzüge gegen die Heiden in Spanien. Der Dompropst fuhr mich oft an, wenn ich im Statius Fehler machte, oder er schlug mit seinem Stock nach mir; er sagte, ich solle Statius lieben und ihn sorgfältig lesen, denn er sei der erste römische Dichter gewesen, der sich zum Christentum bekehrt habe. Um dem Dompropst den Willen zu tun und seinem Stock zu entgehen, las ich, so gut ich konnte; aber lieben konnte ich diesen Dichter nur wenig, so sehr ich es auch versucht habe.
    Der Dompropst besaß jedoch noch ein anderes Dichtwerk, und das war schöner gebunden als die anderen. Bisweilen sah ich ihn murmelnd über diesem Buch sitzen, und dann schien er in tiefster Seele zufrieden und schickte mich nach mehr Wein; aber aus diesem Buch ließ er mich nie vorlesen. Das mehrte meine Neugierde, und eines Abends, als er zum Bischof geladen war, ging ich in seine Kammer, um das Buch zu suchen; und schließlich fand ich es in einer kleinen Truhe unter der Bank an der Wand. Als erstes stand in dem Buch die Regula Magistri, das ist die Anweisung des heiligen Benedictus zur Führung eines Gott wohlgefälligen Lebens; und dann folgte ein Lob der Keuschheit, verfaßt von Aldhelmus, einem frommen Manne aus Irland. Das dritte war ein langes Gedicht, das mit der größten Sorgfalt schön niedergeschrieben war; es hieß Ars Amandi, was Kunst des Liebens bedeutet; ein Dichter im alten Rom, Ovidius mit Namen, hat es geschrieben, und der ist gewiß niemals Christ geworden.«
    Als der Magister in seiner Erzählung so weit gekommen war, blickte er den Vater Willibald traurig an, und der nickte nachdenklich.
    »Ich habe von dieser Schrift gehört«, sagte er, »und ich weiß, daß sie bei vorwitzigen Mönchen und gelehrten Nonnen großen Ruhm genießt.«
    »Dieses Buch ist wie Beelzebubs höchsteigenes Gebräu«, sagte der Magister, »und doch ist es süßer als Honig. Diese Schrift konnte ich nur halbwegs verstehen, denn sie enthielt viele Worte, die weder in den Evangelien vorkommen noch in den Episteln und die es auch bei Statius nicht gibt; aber ich las sie mit ebensoviel Begierde wie Bangen. Von dem, was sie enthielt, will ich nicht mehr sagen, als daß sie von Zärtlichkeit, von Wohlgerüchen, lieblichen Melodien und allerhand hurenhaftem Spiel handelte, wie solches zwischen Mann und Frau denkbar ist. Zuerst schien es mir eine große Sünde, dieses zu lesen, dann aber, vom Teufel beschwatzt, besann ich mich geschwind darauf, daß das, was ein weiser Dompropst lesen durfte, auch für mich nicht sündhaft sein könne. Der liederliche Ovidius war – obschon ganz in des Teufels Gewalt – wahrhaftig ein großer Dichter; seltsamerweise blieben mir seine Verse ganz von selbst im Gedächtnis, viel besser als die Episteln an die Galater, obschon ich mir mit diesen große Mühe gegeben hatte. Ich las, bis ich vor dem Hause die Schritte des Dompropstes hörte; an jenem Abend prügelte er mich arg mit seinem

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