Die Abenteuer des Röde Orm
kann.«
»Dann hat ihr Los sich ja um vieles gebessert«, sagte Spjalle, »denn bei König Erik zählten sie zu den Knechten.«
Ylva brach in Lachen aus.
»Und du meinst nun, eher Lob als Tadel zu verdienen, da du mitgeholfen hast, sie dorthin zu befördern«, sagte sie.
Vater Willibald blickte sie streng an und sagte: so leichtfertige Rede betrübe ihn tief.
»Als du noch ein gedankenloses Mädel warst, durftest du dergleichen sagen«, seufzte er, »aber nun, da du eine verständige Frau mit drei Kindern bist und viel Unterweisung empfangen hast, solltest du’s besser wissen.«
»Ich habe es von meinem Vater«, sagte Ylva, »und ich glaub nicht, daß er um vieles besser wurde durch die vielen Kinder, die er bekam, und durch deine und Bischof Poppos Lehren.«
Vater Willibald schüttelte den Kopf und strich sich mit der Hand langsam über den Schädel; das tat er stets, wenn das Gespräch auf König Harald kam; denn der hatte einmal, als ihn Ungeduld packte, ein Kruzifix ergriffen und dem Priester damit über den Schädel geschlagen. Die Narbe davon war noch da.
»Ganz gewiß war König Harald ein großer Sünder«, sagte Vater Willibald, »und damals, als er mich schlug, war auch ich nahe daran, zum Märtyrer zu werden. Und doch glich er in vielen Dingen dem König David; das zeigt sich am besten, wenn wir ihn mit König Sven vergleichen; und es hätte ihm wenig gefallen, seine Tochter über den Totschlag von Priestern scherzen zu hören.«
»Sünder sind wir alle, ja, sogar ich«, sagte Orm, »denn mehr als einmal habe ich die Hand gegen Priester erhoben, damals als wir in Kastilien und Leon Städte erstürmten und Kirchen verbrannten. Die Priester kämpften tapfer gegen uns mit Schwert und Speer, und mein Herr Almanzur hatte anbefohlen, vor allen anderen gerade sie zu töten. Aber das war, bevor ich es besser wußte, und daher glaube ich fest, daß Gott nicht allzu streng richten wird über jene früheren Taten.«
»So bin ich also in bessere Gesellschaft gekommen, als ich mir’s gedacht habe«, sagte Spjalle.
Der bleiche junge Mann mit dem schwarzen kurzen Bart, der vierte der Fremden, hatte bisher mit trauriger Miene geschwiegen, jetzt seufzte er und begann zu reden. »Es ist wahr: alle sind Sünder«, sagte er, »aber niemand von euch schleppt sich mit einer so schweren Sündenlast wie ich. Rainald heiße ich und bin ein unwürdiger Priester Gottes und Kanonikus des Bischofs Eckard in Schleswig. Geboren aber bin ich zu Zülpich in Lotharingen, und zuerst war ich Magister an der Domschule zu Aachen. Hierher in den Norden kam ich um meiner Sünde willen und durch mein Unglück.«
»Man muß sagen«, meinte Orm, »daß man nach besseren Bettlern lange suchen müßte, denn ein jeder von euch hat etwas vorzubringen. Und wenn deine Erzählung was taugt, hören wir gerne zu.«
»Erzählungen, die von Sünde handeln, sind immer gut«, sagte Ylva.
»Bloß dann, wenn man sie ernsthaft anhört und durch sie gebessert werden will«, sagte Vater Willibald.
»Was ich zu berichten habe, handelt von ernsten Dingen«, sagte der Magister traurig, »denn schon seit meinem zwölften Jahre war ich ein Unglückskind. So vernehmt denn, daß in einer Erdhöhle am Wege zwischen Zülpich und Heimbach die Seherin Radla haust; die vermag in die Zukunft zu schauen. Ihr ward ich von meiner Mutter zugeführt, denn die wollte erfahren, ob es mir wohlergehen würde, wenn sie mich in eine Priesterschule gäbe; denn ich hatte großes Verlangen, ein Diener Christi zu werden. Die Seherin hielt lange meine Hände, und mit geschlossenen Augen wiegte sie sich stöhnend hin und her, so daß mir todesbange zumute ward. Endlich begann sie zu reden. Sie sagte, ich würde ein guter Priester werden und vielerlei würde mir gelingen. >Aber auf dir lastet Unglück<, sagte sie. >Dreimal wirst du eine schwere Sünde begehen, und die zweite wird schwerer als die erste sein, und die dritte am allerschwersten. So will es dein Schicksal, und ihm kannst du nicht entgehen.< Mehr als das wollte sie nicht sagen. Meine Mutter und ich weinten auf dem Heimweg, denn wir wünschten beide, daß ich ein heiliger Mann würde, kein Sünder. Als wir unseren alten Priester um Rat fragten, sagte er: wer mit drei schweren Sünden davonkomme, sei glücklich zu nennen, aber seine Worte gaben mir wenig Trost. Nun kam ich in die Priesterschule von Aachen, und niemand war fleißiger und zeigte größeren Eifer als ich, und niemand fürchtete sich mehr vor der Sünde.
Weitere Kostenlose Bücher