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Die Abenteuer des Röde Orm

Die Abenteuer des Röde Orm

Titel: Die Abenteuer des Röde Orm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frans Bengtsson
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sich neben Ugge stellte. Er war hochgewachsen und knorrig gebaut, vertrocknet und vom Alter gekrümmt, mit langer Nase und einem graugesprenkelten Bart, der in dünnen Strähnen herabhing; und obgleich die Spätsommersonne warm schien und kein Wind wehte, trug er einen bis zu den Knien reichenden Ledermantel und eine dicke Kappe von Fuchsfell. Er sah über die Maßen klug aus, und schon lange hatte er einen großen Ruf. Man wußte allgemein, daß er die Gabe des Hellsehens besaß: er war imstande, verborgene Schätze zu finden und konnte in die Zukunft schauen und bevorstehendes Unglück voraussagen. Außerdem war er siebenmal verheiratet gewesen und hatte dreiundzwanzig Söhne und elf Töchter; und es hieß, er sei bestrebt, bei beiden die volle Dutzendzahl zu erreichen. Alles dies gereichte ihm bei den Göingern zu hoher Ehre.
    Auch er verkündete nun den Thingfrieden, und er hatte viel Gutes über die friedliche Gesinnung der Göinger zu sagen; die sei so groß, erklärte er, daß vier volle Jahre lang kein Heerzug gegen die Virden oder die Finnveder vorgekommen sei. Dieses würden Fremde vielleicht so auslegen, als habe unter den Göingern Trägheit und Verweichlichung um sich gegriffen. Aber wer das vermute, sei im Irrtum; denn wie ihre Väter seien sie noch immer bereit, jeden, der ihnen zu nahe trete, mit scharfer Klinge zurechtzuweisen, was mancher bezeugen könne, der einen solchen Versuch gewagt habe. Es sei auch falsch zu glauben, der Friede, der jetzt geherrscht habe, sei durch die guten Zeiten gekommen, die sie gehabt, durch reichliche Ernten, fette Weideplätze und das Ausbleiben von Viehseuchen; aber der satte Göinger sei als Kriegsmann nicht schlechter als der ausgehungerte, und durch Fasten werde seine Gemütsart nicht weicher. Alles habe vielmehr auf diesem beruht: daß es unter ihnen kluge und verständige Männer gäbe, deren Rat man befolgt habe.
    »Und so lange es deren gibt und man ihnen gehorcht«, sagte er, »wird es uns in allen Dingen gut gehen. Im Laufe der Jahre hat aber die Zahl dieser Weisen abgenommen, und hier auf dem Thing sehe ich als völlig Zuverlässige nur uns beide: Ugge und mich selbst. Darum tut es mehr denn je not, daß die jungen Leute unter euch Schöffen, sie, in deren Bart sich noch kein graues Haar findet, uns gut zuhören, damit sie sich dadurch ein wenig von der Weisheit zulegen, deren sie noch ermangeln. Denn es ist gut, wenn die Alten zu bestimmen haben und die Jungen begreifen, daß ihr eigener Verstand nur gering ist.«
    Als dritter trat nun der Häuptling der Finnveder vor und stellte sich neben die beiden anderen. Er hieß Olof Sommervogel, und obgleich er noch sehr jung war, hatte er doch schon einen großen Ruf. Er war gut gewachsen, war dunkel und scharfäugig und trat selbstbewußt auf. Er war weit im Osten gewesen, hatte im Dienst des Königs von Kiew und des Kaisers in Miklagärd (Konstantinopel) gestanden und war mit großen Reichtümern heimgekehrt. Den Namen Sommervogel hatte er bei seiner Heimkehr dank der Pracht und der schönen Färbung seiner Kleidung erhalten. Und er ließ sich diesen Namen gern gefallen.
    Alle Finnveder, sowohl die Schöffen wie die hinter diesen Stehenden, jubelten laut, als Olof nun vortrat, denn er sah in Wahrheit wie ein Häuptling aus, und dort am Stein stehend, unterschied er sich stark von den beiden anderen. Er trug einen grünen Mantel, der mit Goldfäden gesäumt war, und einen hellglänzenden silbernen Helm.
    Nachdem auch er den Thingfrieden verkündet hatte, sagte er, daß er der Weisheit alter Männer vielleicht nicht ganz so viel zutraue, wie diese selber das täten; er glaube vielmehr, daß guter Verstand auch anderswo zu finden sei, ja, vielleicht sogar meistens anderswo. Dennoch wolle er den Alten darin zustimmen, daß Frieden eine gute Sache sei; doch möchten alle bedenken, daß es mit der Zeit immer schwerer werde, ihn zu bewahren, und das hauptsächlich der Unruhe wegen, die durch die Christen und deren Bosheit und finstere Verschlagenheit hervorgerufen werde. »Und ich weiß, wovon ich rede«, sagte er, »wenn ich hier die Christen nenne. Denn jedermann ist es bekannt, daß ich fünf Jahre in Miklagärd gewesen bin und dort den beiden Kaisern Basilius und Konstantin gedient habe. Da habe ich gesehen, wie die Christen verfahren, wenn sie gereizt sind und ihre Bosheit aneinander auslassen können. Dann zwacken sie einander mit glühenden Zangen Nase und Ohren ab und das bloß wegen irgendeiner Kleinigkeit;

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