Die Abenteuer des Röde Orm
Orm.
»Doch, ich habe sie erwischt«, sagte Toke, »denn sie konnten nicht dicht halten, sondern rühmten sich vor ihren Frauen; und so kam es heraus und wurde in der Gegend bekannt. Sie hießen Alf und Steinar, großspurige Männer von gutem Geschlecht, Neffen von Ossur Großmaul, der auf Berses Schiff Steuermann war und stets damit prahlte, daß er von König Alf-Frauenlieb auf Möre abstammte. Ich erfuhr es, als ich noch an meinen Wunden daniederlag, und da gelobte ich: weder an Bier noch an eine Frau zu rühren, bevor ich nicht die beiden zur Strecke gebracht haben würde; und ob ihr mir nun glaubt oder nicht: dieses Gelübde habe ich gehalten. Sobald ich wieder auf den Füßen stand, war ich täglich nach ihnen auf der Suche, und eines Tages, als sie vom Fischen kamen, traf sich’s günstig für mich. Ja, ich war nahe daran, Freudentränen zu weinen, als ich sie an Land gehen sah, und dann haben wir uns am Ufer geschlagen, bis ich Steinar zu Fall brachte. Der andere wandte sich zur Flucht, ich hinterher. Es war ein schönes Rennen; durch Gestrüpp und Weidegrund, hin über die Wiesen und auf den Hof seines Vaters zu. Er war schnellfüßig und lief um sein Leben; aber um dieses sein Leben lief auch ich, der ich mich obendrein von der Schmach reinwaschen wollte und den es heftig danach verlangte, jenes Gelübde loszuwerden. Nicht weit vom Hof erreichte ich ihn – mein Herz war nah am Zerspringen –, und vor den Augen der Schnitter spaltete ich ihn mittendurch. Nie ist mir wohler zumute gewesen, als da er vor mir lag! Ohne belästigt zu werden, ging ich heim und trank Bier, den ganzen Tag; und meiner Frau sagte ich, nun sei das Ärgste überstanden. Aber so weit war es leider noch nicht.«
»Woran mag es dir nun noch gefehlt haben, nachdem dir so gute Rache geworden war?« fragte Orm.
»Freunde und Feinde ringsumher konnten nicht vergessen, wie ich zu meinen Wunden gekommen war«, sagte Toke finster, »und die Spaße darüber wollten kein Ende nehmen. Da ich allein, in offenem Kampf, zwei erschlagen hatte, meinte ich, diese Rache würde das Gerede aus der Welt schaffen; aber von dergleichen war wenig zu merken. Mehr als einmal mußten Rotschnabel und ich Männern abgewöhnen, bei meinem Anblick zu lächeln, aber nicht einmal das wollte helfen; und auch solche, die mir mit ernsthafter Miene entgegentraten, erbosten mich, denn ich wußte nur zu gut, woran sie dachten. Ich dichtete auch ein Lied auf meinen Kampf mit Steinar und Alf, und das Lied war nicht übel; aber bald erfuhr ich, daß es drei andere Lieder gab, die erzählten, wie ich zu meinen Wunden gekommen war, und daß man auf den Höfen sich darüber krank lachen wollte. Da begriff ich, daß ich mich in meiner Heimat nie mehr wohl fühlen würde; und mit meiner Frau und meiner ganzen Habe zog ich durch die großen Wälder nach Värend, wo ein Teil meiner Sippschaft ansässig war. Dort kaufte ich mir einen Hof; seitdem habe ich ruhig und zufrieden leben können, und dank meines gutgehenden Pelzhandels bin ich nun reicher als zuvor. Und drei Söhne habe ich, die alle aussehen, als würden mal tüchtige Männer aus ihnen werden, und um meine Tochter werden die Freier, wenn es einmal so weit ist, sich schlagen. Vom Mißgeschick jedoch, das mich aus der Heimat vertrieb, habe ich noch niemand ein Wort verlauten lassen. Nur du, Orm, weißt jetzt davon und du, Priesterlein, denn auf euch kann ich mich verlassen. Denn hörte noch ein Dritter davon, dann würde das Gelächter und Witzereißen bald wieder angehen, obschon es nun beinah vier Jahre her ist, daß jenes Unglück mich traf.«
Orm sagte, das sei eine gute Geschichte gewesen und Toke brauche nicht zu fürchten, er werde schwatzen.
»Aber die Lieder auf dich hätte ich gern gehört«, sagte er, »wenn auch niemand gern Spottlieder auf sich selbst hersagt.«
Vater Willibald leerte seinen Schoppen und erklärte: eine Geschichte wie diese, von Neid und Fehden, von Speerstichen hier und dort, von Rache, Spottliedern und dergleichen, sei nicht so, daß man sie mit Vergnügen anhören könnte, wie auch Orm darüber denke.
»Und sei gewiß, Toke«, sagte er, »daß ich solchen Klatsch nicht umhertrage, denn ich habe von Besserem zu reden. Aber wenn an dir überhaupt etwas dran ist, dann solltest du aus dem Geschehenen eine Lehre ziehen. Soviel weiß ich nach allem, was ich von dir auf dem Königshof sah und was Orm mir erzählt hat, daß du immer ein kecker und furchtloser Mann warst und dazu selbstsicher
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