Die Abenteuer des Röde Orm
und munteren Sinnes. Und doch, wenn dir ein Mißgeschick widerfährt, das einfältigen Leuten zu lachen gibt, wirst du so schwach und herzensbang, daß du aus deiner Heimat fliehen mußt, nachdem du gesehen hast, daß die Stärke deines Armes dem Spott nicht zu wehren vermag. Da haben wir Christen es doch weit besser; denn sind wir von der rechten Art, so kümmern wir uns um der Menschen Gedanken nicht, sondern nur um das, was Gott von uns denkt. Ich bin ein alter Mann, und meine Kraft reicht nicht weit; und dennoch bin ich stärker als du, denn mich kann kein Spott schrecken, und mein Sinn wird durch dergleichen nicht bewegt. Denn wem Gott den Rücken stärkt, der weicht vor keinem Menschengeschwätz und braucht sich nicht vor Grinsen und Getuschel zu bangen.«
»Da bekommst du verständige Worte zu hören, über die nachzudenken sich lohnt«, sagte Orm, »denn wisse, Toke: in diesem Priester steckt mehr Weisheit als in uns beiden, und seinen Rat zu hören, ist immer gut.«
»Nun, da ich euch so schwatzen höre, merke ich, daß das Bier seine Wirkung tut«, sagte Toke. »Du gedenkst mich wohl zum Christen zu machen, Priesterlein?«
»Ja, so ist es«, sagte Vater Willibald bestimmt.
»Da nimmst du dir viel vor«, sagte Toke, »und das dürfte mehr Mühe machen als die Bekehrungen, mit denen du dich bisher abgegeben hast.«
»Da ich Christ geworden bin, wäre es auch für dich keine Schande«, sagte Orm. »Es hat meinen Sinn nicht weichlich gemacht, und auch meine Hand ist davon nicht schwächer geworden. Und seit ich getauft wurde, habe ich nie darüber zu klagen brauchen, daß mein Glück mich im Stich läßt.«
»Mag sein«, sagte Toke, »aber du bist nicht Pelzhändler wie ich. In diesem Lande kann kein Pelzhändler Christ sein; es würde alle, mit denen er Handel treibt, mißtrauisch machen. Wenn er seine Götter wechselt, würden die Virden sagen, dann ist er ja wohl auch in anderem nicht verläßlich. Nein, nein, aus Freundschaft kann ich gewiß viel für dich tun, und auch für dich, Priesterlein, aber mich taufen lassen – nein, das nicht. Und Mirah, meine Frau, würde ja ganz rasend werden; denn in ihr steckt noch von ihrer Heimat her ein großer Haß gegen die Christen; und mir scheint, ihre Sinnesart ist hitzig genug; sie braucht durch solche Neuerungen nicht noch erst angespornt zu werden. Darum würdest du’s umsonst mit mir versuchen, obschon ich dein Freund bin und bleiben werde.«
Aus dieser Klemme konnte nicht einmal Vater Willibald einen Ausweg finden, und Orm gähnte und sagte, die Nacht sei weit vorgeschritten und es sei Schlafenszeit. Sie schieden sehr freundschaftlich; Orm und Toke priesen ihr Glück, daß sie einander wiedergefunden hatten und sich nun in Zukunft oft treffen würden. Orm und Vater Willibald gingen zu ihrer Lagerstelle zurück. Dort herrschte Ruhe und Frieden, und die Männer lagen schnarchend im Mondschein unter den bleichen Rauchschwaden, die von den ausgebrannten Lagerfeuern aufstiegen. Doch einer von Orms Mannen saß wach da und hob, als sie sich näherten, den Kopf.
»Ein Bote hat nach euch beiden gefragt«, sagte er schläfrig. »Seht diesen Sack hier: seit ich ihn erhielt, haben die Eulen nicht aufgehört zu schreien. Ich war, um zu trinken, zum Bach hinuntergegangen, und da kam ein Mann vom Lager der Finnveder her und fragte nach dir. Ich sagte, du seist bei den Virden. Da schleuderte er den Sack über den Bach, so daß er zu meinen Füßen niederfiel, und sagte: dies sei ein Gruß an Orm auf Gröning und an dessen langnasigen Priester. Ich fragte ihn, was im Beutel sei? >Kohlköpfe<, sagte er lachend und ging seines Weges. Ich aber glaube, daß anderes und Schlimmeres darinnen ist. Hier ist der Sack, und an seine Schnur ist nicht gerührt worden.«
Er setzte den Packen vor Orms Füße hin, legte sich nieder und schlief sofort ein. Orm blickte finster auf den Sack nieder und schaute dann den Priester an. Beide schüttelten die Köpfe.
»Das ist irgendeine Teufelei«, sagte Vater Willibald. »Etwas anderes kann es nicht sein.«
Orm band die Schnur auf und schüttelte den Inhalt aus. Zwei Menschenköpfe rollten auf den Boden, und Vater Willibald tat einen Ausruf und fiel auf die Knie.
»Sie sind beide geschoren«, sagte er. »Von den Heiden hingemordete Priester Christi! Wie soll Menschenverstand Gottes Willen richtig verstehen, wenn der Teufel über solche Taten frohlocken darf!«
Die Arme gen Himmel streckend, näherte er sich den Köpfen. »Ich kenne sie,
Weitere Kostenlose Bücher