Die Abenteuer des Röde Orm
bloß etwas gerufen und sein Kreuz emporgehoben, und da sei der Alte rücklings vom Stein gefallen und des Todes gewesen. Das sei nun die reine Wahrheit, sagten sie, denn sie seien so gut wie jeder andere imstande, die Wahrheit zu reden, sobald sie nur wüßten, wozu das nütze sei.
Nun durften die Frauen abtreten, mit ihnen auch die alte Katla nebst ihrem Gefangenen, und Ugge beriet sich mit den Schöffen. Einige meinten, der Priester sollte getötet werden, denn es sei klar, daß er Styrkar durch Zauberei ums Leben gebracht habe, und je eher man einen Christenpriester loswerde, desto besser. Aber andere widersprachen dem und meinten, jemand, der durch Zauber den Styrkar habe aus der Welt schaffen können, verdiene es, am Leben zu bleiben. Denn dann habe er gewiß auch den Frauen Nutzen gebracht; zudem müsse man bedenken, was die Alte gesagt habe, da von den Göingern ja doch keine Bußzahlung gefordert werden könne. Es endete damit, daß Ugge der Katla den Christenpriester zusprach bis zum vierten Thing nach diesem, und während dieser Zeit sollte sie zu jedem Verdienst berechtigt sein, den sie ihm irgend abzupressen vermöchte. Gegen diesen Rechtsspruch hatte weder Sone noch sonst wer etwas einzuwenden.
»Ich selbst hätte kein besseres Urteil fällen können«, sagte Orm zu Vater Willibald, als sie die Sache nachher besprachen, »nun mag er zusehen, wie er mit der alten Hexe auskommt. Und es war ihm ja ohnehin bestimmt, in Smaland Knecht zu werden.«
»Trotz all seiner Mängel war Gottes Geist wahrscheinlich doch über ihm, als er auf den Heidenpriester und den Greuel, der sich am Stein vollzog, zuging«, sagte Vater Willibald, »und nun mag es sein, daß er zu Gottes Ehre große Dinge ausrichten wird.«
»Wohl möglich«, sagte Orm, »aber mir scheint das beste, daß wir ihn nun los sind. Ein Mann mag an Frauen seine Lust haben, und, wenn er auf dem Heerzug ist, auch an anderen als an der eigenen, dagegen läßt sich nichts sagen; aber einer wie dieser ist mir zuwider, hinter dem alle Frauen wie toll her sind, kaum daß sie ihn zu Gesicht bekommen. Dergleichen scheint mir unrecht und gegen die Natur; und obendrein ist jener ein Taugenichts und ein Priester Christi.«
»Er wird vieles sühnen«, sagte Vater Willibald, »sobald erst die alte Katla ihre Klauen in ihn schlägt; und statt in seiner Haut zu stecken, wäre ich ganz gewiß lieber mit dem heiligen Propheten Daniel, von dem ich dir erzählt habe, in der Höhle hungriger Löwen. Aber alles geht nach Gottes Willen.«
»Möge er uns auch fernerhin günstig sein«, sagte Orm fromm.
Das Thing dauerte nun aber noch vier Tage, und viele Rechtssprüche wurden gefällt. Wer gut dabei wegkam, rühmte die große Weisheit Ugges und Sones. Und auch Olof Sommervogel zeigte sich trotz seiner Jugend als vielerfahren und als ein kluger Richter, so daß sogar Ugge mehr als einmal den Ausspruch tat, es könne mit der Zeit noch etwas aus ihm werden. In schweren Rechtsfällen, wenn ein Vergleich unmöglich war und die Meinungen der Schöffen und Richter auseinandergingen, wurde nach alter Sitte der dritte Richter – doch ohne dessen Schöffen – hinzugenommen, damit durch seine Vermittlung es zu einem einstimmigen Urteil käme; und mehrmals, wenn es einen Zwist zwischen Virden und Göingern galt, machte Olof Sommervogel den dritten Richter und entledigte sich seines Auftrages mit Ehren.
So weit ging alles gut; aber unter den Zuhörern machte sich allmählich wachsende Unruhe bemerkbar, da es zu keinem spannenden Zweikampf kommen wollte. Am zweiten Tage, allerdings in einer Streitsache zwischen einem Finnveder und einem Göinger, die Pferdediebstahl betraf, lautete das Urteil auf Zweikampf, denn es gab keine Zeugen; beide Teile zeigten sich gleich halsstarrig, und der eine war im Erfinden von Lügen ebenso geschickt wie der andere; aber als sie den Kampfplatz betraten, erwiesen sich beide als so ungeschickt, daß sie einander sofort mit den Schwertern durchbohrt hatten und wie die Hälften eines geplatzten Kruges nach entgegengesetzten Seiten tot hinfielen, so daß niemand an diesem Kampf ein rechtes Vergnügen haben konnte. Man hatte dafür nur ein säuerliches Grinsen und fand, daß dieses Thing zu mißraten schien.
Aber am dritten Tage stieg die Laune, denn da wurde eine schwere Streitsache behandelt, die viel zu versprechen schien.
Zwei Virden, Askman und Glum, beide wohlbekannte angesehene Männer, traten vor und erhoben Klage wegen doppelten Frauenraubes.
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