Die Abenteuer des Röde Orm
der Jäger eilte, aber sie bereits leer fand – weder die Männer waren da, noch die Mädchen, noch Otternhäute; und nach allem, was ich durch diese beiden Bösewichter habe ausstehen müssen, lag ich noch lange mit wirrem Kopf und in großem Elend darnieder.«
So lautete das Zeugnis der Witwe Gudny, und als sie endete, war sie dem Weinen nahe. Jetzt erhob sich Gudmund zu Uvaberg und sagte, er würde den beiden jungen Männern das Wort sprechen. Denn einerseits sei er vielleicht klüger als sie und könne daher die Worte besser setzen und andererseits habe er von seinen beiden Neffen und auch den jungen Frauen mehr als einmal gehört, wie alles zugegangen sei. Daher wisse er ebenso gut Bescheid wie sonst wer, ja, vielleicht noch besser; und was das Zeugnis der soeben verhörten Witwe Gudny angehe, so könne er sagen, daß vieles davon richtig sei, aber dennoch das meiste nicht stimme.
»Slatte und Agne haben mir beide gesagt«, fuhr er fort, »daß sie während des Unwetters in ihrer Erdhöhle saßen. Das Wetter war so schlimm, daß sie kaum wagten, ihr Feuer zu unterhalten. Als sie dann draußen jammernde Stimmen hörten, kroch Slatte hinaus und sah im Regen drei Gestalten stehen, die die Röcke über den Kopf geschlagen hatten, so daß er zuerst fürchtete, es seien Waldtrolle. Dasselbe glaubten die Frauen von ihm, als sie seinen Kopf hervorlugen sahen, so daß sie bang zurückwichen und vor Angst laut schrien. Da begriff er, daß sie Menschen waren: er trat vor und beruhigte sie. Sie folgten ihm gern in die Höhle und setzten sich ans Feuer, und die jungen Mädchen waren müde und weinten vor sich hin. Die Witwe aber weinte nicht, und ihr, sagten sie, sei wenig Müdigkeit anzumerken gewesen. Sie habe, während sie am Feuer saß, um trocken zu werden, die Männer immerzu angestarrt, auch verlangt, daß man ihr den Rücken mit Otternfell rieb und sie ganz und gar in Felle packte; und als sie vom warmen Bier getrunken hatte wie ein Pferd, wurde sie munter und zog sich fast alle Kleider ab. Denn so spüre sie die Wärme mehr, sagte sie, und sie müsse es nun vor allem recht warm haben.«
»Slatte und Agne«, fuhr Gudmund fort, »sind allerdings recht jung, aber doch nicht dümmer als andere Leute, und so war ihnen denn nicht neu, was Witwen im Sinn haben, wenn sie Männern in die Augen schauen. Darum spitzten sie die Ohren und blinzelten sich zu, als die Witwe verlangte, die Mädchen sollten sich in einem Winkel zum Schlaf niederlegen, während sie darüber wache, daß ihnen nichts geschehe. Agne und Slatte haben mir beide gesagt, daß sie ihr gern den Willen getan hätten, wenn sie allein zu ihnen gekommen wäre. Aber nun meinten sie, es wäre nicht männlich gehandelt, sich in eine Witwe zu teilen, während doch zwei schöne und vielleicht ebenso bereitwillige junge Mädchen zur Hand waren; jeder Vernünftige hätte sie ausgelacht, wenn das herausgekommen wäre. Daher setzten sie sich nun zu den Mädchen und redeten ihnen sanft zu, während sie halfen, ihnen die Füße zu wärmen. Die Mädchen hatten nun wieder Mut gefaßt; sie hatten gegessen und getrunken und waren warm geworden; aber sie wagten kaum, die Männer anzublicken und mit ihnen zu reden. Dadurch gefielen sie den Männern nur noch besser, denn es zeigte, daß sie schamhaft waren und gut erzogen, und sie mochten sie bald so gut leiden, daß sie beschlossen, sogleich um sie zu losen, damit zwischen ihnen kein Zwist entstehe und jeder wisse, welche die seine sei. Aber sobald davon die Rede war, fuhr die Witwe mit Geschrei auf, als sei sie, da sie allein saß, verrückt geworden, und sagte, nun müßten die Mädchen sofort nach Haus, sonst würde es ein großes Unglück geben; sie seien ja jung und könnten daher die Wanderung gut überstehen; sie selbst aber müsse um Gastfreiheit für die Nacht bitten, da sie sonst gewiß vor Schmerzen und Müdigkeit unterwegs umkommen würde. Die Männer fragten erstaunt, ob sie den Mädchen ans Leben wolle; denn für die wäre es der sichere Tod, bei Dunkelheit und Regen im wilden Wald, wo es nicht geheuer sei, umherzuirren. Solche Grausamkeit, sagten sie, sei unerhört, aber es würde nichts draus werden, denn sie seien entschlossen, diese Mädchen vor der Tollheit der Alten zu schützen. Aber auch ihr eigenes Leben sei ihnen lieb, und daher seien sie nicht gesonnen, ein so mordlustiges Wesen in ihrer Höhle zu behalten, ihnen könnte ja im Schlaf wer weiß was geschehen. Sie befahlen ihr also zu gehen, und da sie
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