Die Abenteuer des Röde Orm
Wunde war nicht gefährlich, denn die Schneide des Schwertes hatte auf sein Messer und den Löffel getroffen, den er im Gurt trug. Er konnte daher allein zu seiner Lagerstelle zurückkehren, und als er von Olof Sommervogel Abschied nahm, gaben sie einander die Hand.
»Du hast deinen schönen Krug verloren«, sagte Orm, »und das ist schlimm, aber du bist jetzt um einen Freund reicher, und das mag ein Trost sein. Und es wäre gut, wenn ich ebensoviel gewonnen hätte.«
»Das hast du«, sagte Olof Sommervogel, »und somit haben wir beide unseren Besitz gemehrt.«
Fortab bestand zwischen ihnen große Freundschaft.
Am letzten Thingtag wurde bestimmt, daß bis zum nächsten Thing allgemein Frieden gehalten würde, und damit war das Thing am Kraka-Stein zu Ende.
Rühmlich, meinten viele, sei es nicht gewesen, da nicht ein einziger richtiger Zweikampf dabei ausgefochten worden war.
Vater Willibald ging zum Lager der Virden, um den Magister aufzusuchen und ihm Lebewohl zu sagen; aber die Katla war bereits mit ihm abgezogen. Orm wollte Toke mit sich nach Hause nehmen, aber der hatte noch Pelzgeschäfte zu betreiben. Sie kamen überein, einander jedes Jahr zu besuchen und ihre Freundschaft gut zu pflegen.
Nun ritt jedermann heim, und Orm war höchlich zufrieden, daß er sowohl den Magister wie seinen Feind Östen losgeworden war. Zum Julfest kamen Toke und dessen andalusische Frau Mirah nach Gröning, und wieviel auch Orm und Toke miteinander redeten, es war ein Geringes gegen das, was Ylva und Mirah einander zu sagen hatten.
Als es Frühling wurde, gebar Rapps Frau einen Knaben. Rapp wurde damit ein Wunsch erfüllt, doch als er die Monate zurückrechnete, wurde er stutzig, da es mit dem Tage, da der Magister Torgunns verletztes Knie besprochen hatte, gut übereinstimmte. Das ganze Hofgesinde, Männer wie Frauen, lobten das Kind und seine große Ähnlichkeit mit dem Vater, und das war Rapp ein Trost, ganz sicher aber fühlte er sich nicht. Der einzige, auf den er sich in allem völlig verließ, war Orm; er ging zu ihm und bat ihn, sich das Kind anzusehen und zu sagen, wem es ähnlich sei.
»In einem ist es dir sehr unähnlich«, sagte Orm, »das merkt man sogleich; denn das Kind hat zwei Augen und du bloß eines. Aber du tätest unrecht, darüber zu klagen, denn von Anbeginn hattest ja auch du zwei Augen. Aber im übrigen habe ich noch nie ein Kind gesehen, das seinem Vater noch mehr geglichen hat.« Das beruhigte Rapp; er freute sich nun über seinen Sohn und wollte, daß Vater Willibald ihm in der Taufe den Namen Almanzur gäbe; der aber weigerte sich, dem Kinde einen heidnischen Namen zu geben, und so
wurde es denn Orm genannt. Und Orm trug es zur Taufe.
Vierzehn Tage nach der Geburt dieses Kindes bekam Ylva ihren zweiten Sohn. Er war schwarzhaarig und hatte dunkle Haut, und er schrie nur wenig und blickte ernsthaft umher; und als man ihm die Schwertschneide reichte, leckte er sie begieriger als seinerzeit Harald Ormsson. Alle waren nur einer Meinung: nämlich, daß hier ein Krieger geboren sei, und darin sollten sie recht behalten. Ylva behauptete, er gleiche Gold-Harald, dem Neffen ihres Vaters, jenem gewaltigen Wiking, den sie in jungen Jahren gesehen hatte; aber Äsa widersprach ihr und meinte, er werde am ehesten nach Sven Rattennase schlagen, dessen Haut ebenfalls dunkel gewesen sei. Aber Sven konnte man ihn nicht taufen und auch nicht Harald, und es endete damit, daß Orm ihm den Namen Svarthövde gab. Während der Taufe verhielt er sich still und ernsthaft und biß Vater Willibald in den Daumen. Er wurde seiner Eltern Liebstes Kind und der größte Krieger der Grenzlande. Und nach langer Zeit, als viel sich begeben hatte, gab es bei König Knut, dem Mächtigen, dem Könige von Dänemark und England, keinen Häuptling von größerem Ruf als den Vetter des Königs: Svarthövde Ormsson
VIERTES BUCH - Das Bulgarengold
Vom Untergang der Welt und wie Orms Kinder heranwuchsen
Das Jahr, welches den Untergang der Welt bringen sollte, kam heran: damals ging Orm in sein 35. und Ylva in ihr 28. Jahr. Christus, so glaubten die Getauften, werde in diesem Jahre, das nach seiner Geburt auf Erden das tausendste war, als Himmelskönig inmitten glänzender Heerscharen erscheinen und alle Menschen, das Urteil über sie sprechend, zum Himmel oder zur Hölle senden. Orm hatte das den Vater Willibald so oft sagen hören, daß er sich an diesen Gedanken gewöhnt hatte. Ylva wußte nicht recht, ob sie daran glaubte oder nicht;
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