Die Abenteuer des Röde Orm
nicht weil er geheult hatte, denn darum kümmerte man sich wenig, sondern weil die Ehre, die sie durch ihre eigene Freigebigkeit gewonnen, sie so viel Silber gekostet hatte. Daran, meinten sie, sei Gudmund schuld, und es wurde daher nun lärmend verlangt, er solle sich davonmachen, sonst würde er seinen Bart verlieren. Sein Bart war groß und schön und sichtlich gut gepflegt, daher gab Gudmund diesen Zurufen nach und ging lieber, als daß er seinen Bart in Gefahr brachte.
Man hörte ihn aber murren: »Mich reizt keiner, ohne es bereuen zu müssen.«
Nun wurde Orm genötigt, von seiner ersten Begegnung mit Gudmund zu berichten: wie er ihn unter nachdrücklichem Zureden über den Brunnen gehalten hatte. Diese Geschichte vergnügte die Zuhörer über die Maßen; Orm selbst war aber wenig zufrieden und sagte nachher, er werde nun von Gudmund gewiß allerhand zu erwarten haben. Somit war die schwere Streitsache um den Frauenraub zu Ende geführt. Viele hatten dabei Ehre gewonnen, aber alle meinten: Orm auf Gröning und Olof Sommervogel verdienten das größte Lob für das, was hier geleistet worden war.
Während das Thing tagte, hatte Orm erwartet, er werde durch die Finnveder über Östen auf Öre Näheres hören und auch über die beiden Köpfe, die ihm am ersten Abend über den Bach hin zugeworfen worden waren. Als ihm aber nichts darüber zu Ohren kam, beschloß er, selbst herauszufinden, wie es damit stand. Am Abend des dritten Thingtages ging er allein, nachdem ihm Friede zugesichert worden war, zum Lagerplatz der Finnveder, um mit Olof Sommervogel unter vier Augen zu reden.
Dieser empfing ihn wie einen Häuptling. Er ließ für ihn ein Schaffell zum Sitzen ausbreiten, bot ihm gebratene Wurst, saure Milch und Weißbrot an und befahl seinem Knecht, den Gästekrug vorzusetzen. Das war eine hohe Tonkanne mit Henkel, die einen schmalen Hals hatte und mit einem Bleipfropfen geschlossen wurde; man setzte sie vorsichtig zwischen sie auf den ebenen Boden und daneben zwei silberne Becher.
»Man merkt, sowohl auf dem Thingplatz, wie auch hier, daß du ein Häuptling bist«, sagte Orm.
»Ohne Bier dazusitzen, tut nicht gut«, sagte Olof Sommervogel, »und wenn ein Häuptling den andern besucht, sollte es anderes zu trinken geben als Wasser vom Bach. Du bist, wie ich, ein weitgereister Mann und hast, was ich dir nun vorsetzen will, vielleicht schon geschmeckt; hier aber wird es nicht häufig angeboten.«
Er zog den Pfropfen aus der Kanne und schenkte ein.
Orm nickte.
»Das ist Wein«, sagte er, »das welsche Getränk. Ich habe mitunter in Andalusien davon gekostet; dort wurde es im geheimen fleißig getrunken, obschon der Prophet es verboten hat. Und auch später, bei König Ethelred von England, hat man mir davon eingeschenkt.«
»In Konstantinopel, das wir Miklagard nennen, trinkt man es früh und spät«, sagte Olof Sommervogel; »am meisten tun das jedoch die Priester, die es mit Wasser verdünnen und dreimal soviel davon trinken wie andere. Sie halten es für einen heiligen Trank, ich aber sage: Bier ist besser. Nun trinke ich dir zum Willkommen.«
Sie tranken beide.
»Nach fetter, gesalzener Wurst tut Süßes dem Halse gut«, sagte Orm zögernd. »Doch will ich, was Bier angeht, dir nicht widersprechen. Nun ist es aber an der Zeit, daß ich dir sage, weswegen ich gekommen bin; mag sein, daß du es schon erraten hast. Ich will wissen, ob es Östen auf Öre war, der mir die beiden Köpfe über den Bach zuwerfen ließ; es waren die Köpfe zweier Christenpriester, die bei euch in Knechtschaft geraten sind. Und auch dies will ich wissen: ob Östen, der ja zu deiner Sippe gehört, mir immer noch nach dem Leben trachtet. Wenn er das tut, so tut er es ohne jeden Grund, da ich ihn am Leben ließ und ihn freigab, als er in meiner Gewalt war; er war durch Lug und Trug auf meinen Hof gekommen, um sich meinen Kopf zu holen, wie er’s mit König Sven verabredet hatte. Du weißt, daß ich ein Getaufter bin und zu Christus halte; und ich weiß, daß du die Christen als Übeltäter betrachtest, seitdem du in Miklagärd viel von ihnen gesehen hast. Aber ich kann dir sagen, daß ich nicht von derselben Art bin; und hier auf dem Thing hab ich wohl verstanden, daß auch du nicht zu jenen gehörst, die an Arglist und niederträchtigen Taten Gefallen finden. Darum bin ich zu dir gekommen; sonst hätte sich’s für mich wenig gelohnt.«
»Daß du Christ werden konntest, ist mehr, als ich verstehen kann«, sagte Olof Sommervogel,
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