Die Abenteuer des Röde Orm
hätten sie einander an alle Gebote für christliche Krieger erinnert, die sie je von ihrem König vernommen. Aber nun, da sie einen Priester getroffen, die Messe gehört und den Segen empfangen hätten, nun seien sie zufrieden, und damit sei es für sie an der Zeit, weiterzuziehen. Denn sie hätten es eilig, nach Norwegen zu gelangen und dort vom Geschehenen zu berichten. Nachher, meinten sie, werde ihnen – vielleicht durch den König selbst – offenbart werden, daß sie, obschon die geringsten von allen, nun würdig geworden seien, zu ihm zu kommen.
Nachdem sie Orm und dem Priester für das ihnen Zuteilgewordene gedankt hatten, setzten sie ihre Fahrt fort; und auf Gröning hat man weder von ihnen, noch vom Ende der Welt je wieder gehört.
Auf dieses Jahr, das ohne irgendein Himmelszeichen zu Ende ging, folgte in den Grenzgegenden eine Zeit großer Stille. Der Friede mit den Smaländern war von Dauer, und in Göinge geschah nichts Nennenswertes; bloß gewöhnlicher Totschlag bei Trinkgelagen kam vor und hin und wieder eine Brandstiftung, wo Nachbarn im Streit lagen. Auf Gröning ging alles seinen alten Gang. Vater Willibald wirkte für Christus und klagte nicht selten darüber, daß trotz der Mühe, die er sich gab, die Gemeinde unter seiner Obhut nur langsam wachsen wollte. Besonders bitter stimmte es ihn, wenn jemand kam und erklärte, er wolle sich taufen lassen, doch bloß, wenn man ihm dafür ein Kalb oder eine Jungkuh gebe. Er gab jedoch oft zu, daß es auch schlimmer stehen könnte und daß er annehmen müsse, es seien einige der von ihm Bekehrten nun nicht mehr ganz so tief in Bosheit verstrickt wie vor ihrer Taufe. Äsa tat, was sie konnte, um ihm zu helfen, und obschon sie nun zu altern begann, war sie doch noch rüstig und machte sich viel mit den Mägden und den Kindern zu schaffen. Sie und Ylva kamen gut überein und zankten sich selten; denn Äsa vergaß nicht oft, daß ihre Schwiegertochter von königlichem Geschlecht war. Sagte Ylva gerade heraus, wie sie es haben wollte, so gab Äsa nach, wenn auch ihr anzumerken war, daß es sie hart ankam.
»Denn so viel ist sicher«, sagte Orm zu Ylva, »daß die Alte noch herrschsüchtiger ist als du, und das will etwas heißen. Und es ist gut, daß es nun geworden ist, wie ich’s von Anfang an gehofft habe: nämlich, daß sie nie wagen würde, dir gegenüber ernstlich groß zu tun.«
Orm und Ylva kamen gut miteinander zurecht. Gerieten sie in Streit, so pflegte keiner von ihnen ein Blatt vor den Mund zu nehmen; aber solcher Zwist kam selten vor und war schnell vorbei, ohne daß einer dem andern etwas nachtrug. Orm hatte die Eigenheit, seine Frau nie zu schlagen; selbst wenn er in großen Zorn geriet, übte er in diesem Stück Zurückhaltung, so daß es nie zu mehr kam als zu umgeworfenen Tischen oder einer eingeschlagenen Tür. Mit der Zeit bemerkte er etwas Seltsames: daß nämlich alle diese Zwiste in gleicher Weise verliefen. Denn immer war er es, dem nachher die Mühe zufiel, das Zerschlagene wieder auszubessern, während der Streit zuletzt doch immer so ausging, wie Ylva es haben wollte. Und das, obwohl sie weder Tische umstürzte noch Türen zerbrach, sondern ihm nur mitunter einen Lappen ins Gesicht warf oder ihm eine Tonschüssel vor die Füße schleuderte. Seit er das begriffen hatte, fand er einen Zank mit ihr wenig lohnend, und es konnten Jahre vergehen, ohne daß die Eintracht zwischen ihnen durch harte Worte gestört wurde.
Sie bekamen noch zwei Kinder: einen Sohn, der seinen Namen nach Ivar, dem Weitgreifenden, erhielt und von dem Äsa hoffte, er werde dereinst Priester werden; und eine Tochter, die Sigrun genannt wurde. Toke Grägullesson war bei der Taufe dieser Tochter der vornehmste Gast, und er war es, der ihr den Namen gab; doch geschah das erst nach langem Wortwechsel mit Äsa, der ein christlicher Name lieber gewesen wäre. Aber Toke schien kein Frauenname schöner und in alten Gesängen höher gepriesen als Sigrun, und da Orm und Ylva ihm gern Ehre erweisen wollten, ging es nach seinem Wunsch. Mit der Zeit, sagte er, werde dieses Mädchen, wenn alles gut ging, mit einem seiner Söhne verheiratet werden. An Orms ältere Töchter sei da nicht zu denken, da er selbst keinen Sohn im passenden Alter habe. Und das sei in Wahrheit schade, meinte er nachdenklich, wenn er dasaß und Oddny und Ludmilla zuschaute.
Diese beiden wuchsen allmählich heran, und man brauchte nicht im Zweifel darüber zu sein, wie sie geartet waren. Sie waren
Weitere Kostenlose Bücher