Die Abenteuer des Röde Orm
herankam.
Halvdan und ich und der Meister der Bogenschützen, ein Lesgier, der Abchar hieß, wir drei waren die ersten, die auf die Männer einschlugen, die ihn schützten. Ich sah ihn die Zähne zeigen, als er Halvdan erkannte; aber die Männer, hinter denen er stand, kämpften tapfer, und wir konnten nicht an ihn heran. Nun kamen auch die Bogenschützen herbei, und die Leute des Schatzmeisters wurden am Schiff zusammengedrängt; aber als wir die vordersten erschlagen hatten, war er selbst schon mit einigen der Seinen entronnen.
Die Dämmerung war nicht fern, und ich war in schwerer Ungewißheit, was nun zu tun sei. Der Meister der Bogenschützen tat stets, wie ihm befohlen war, ohne erst viel zu fragen; ich ließ ihn seine Leute sammeln und mit ihnen, so schnell er konnte, und unentwegt, bis es dunkel würde, die Fliehenden stromauf verfolgen. Ich sagte ihm: der Kaiser habe auf den Kopf des Schatzmeisters einen Preis von hundert Silbermünzen und ebensoviel auf den des Alten gesetzt, und alles das sollte dem ausgezahlt werden, der mir ihre Köpfe brächte. Er eilte mit seinen Leuten hinweg; nun waren Halvdan und ich allein und wir betraten das Schiff. Wir fanden den Schatz hinter Fässern und Säcken im Schiffsraum versteckt; es waren vier kleine Truhen und sieben Ledersäcke, die alle mit dem kaiserlichen Siegel versehen waren. Beim Anblick dieses Reichtums fühlte ich jedoch nur Bangen und große Sorge, denn wie sollte der Schatz heimgeschafft werden, ohne daß andere davon erfuhren?
Halvdan sagte: »Bevor die Bogenschützen zurück sind, muß der Schatz versteckt sein.«
Ich sagte: »Wo finden wir für all dieses ein Versteck?«
Er sagte: »Vielleicht im Strom.«
»Du hast recht«, sagte ich; »bleibe hier und halte Wache; ich werde mich umschauen.«
Ich ging zum Fluß, und da fand ich die Stelle, von der ich berichtet, und das Wasser rann schäumend darüber hin. Wir halfen einander, den Schatz dorthin zu tragen und ihn wohl zu verbergen; aber nach langem Nachdenken ließ ich zwei Säcke mit Silber beim Schiff zurück.
Nun kamen Abchar und seine Leute, und sie brachten drei Köpfe mit, aber es waren nicht die Köpfe, die ich am liebsten gesehen hätte. Wir alle aßen und tranken von dem, was sich auf dem Schiff vorfand. Darauf sagte ich: »Hier, Abchar, siehst du zwei Säcke mit dem Siegel des Kaisers. Der Schatzmeister Theophilus und sein Vater haben dem Kaiser diesen Schatz gestohlen. Ob es Gold oder Silber ist, weiß ich nicht, denn an das kaiserliche Siegel darf niemand rühren. Nun steht es schlimm für uns, denn dieser Schatz muß schnell zum Kaiser und in sicheren Verwahr gebracht werden. Aber er hat mir befohlen, nicht ohne den Kopf des Schatzmeisters zurückzukehren. Wir müssen nun tun, was uns am besten scheint. Ich und mein Sohn werden flußaufwärts ziehen bis nach Kiew, um den Schatzmeister dort zu suchen, und zwei deiner Leute, die uns zu folgen gewillt sind, nehmen wir mit. Du aber und die anderen sollt mit dem Schatz zu unserem Schiff zurück und dem Steuermann befehlen, nach Miklagärd zu segeln. Wir anderen müssen nachher selbst zusehen, wie wir heimkommen, nachdem wir hier, was uns obliegt, besorgt haben.«
So sprach ich, und Abchar nickte und fühlte nach, wie schwer wohl die Säcke seien. Er beriet sich mit seinen Leuten, und zwei Kazarer wollten mit uns gehen; er selbst machte sich mit den übrigen und mit den Silbersäcken auf den Weg. Soweit war ich mit dem Gang der Dinge zufrieden. Die beiden Bogenschützen behielt ich, um weiter stromauf mit ihrer Hilfe eines Bootes habhaft zu werden. Denn dort ließen sich Räuber vermuten und vielleicht auch der Schatzmeister, nachdem er wieder zur Besinnung gekommen war. Ich glaubte ihn nämlich noch immer auf der Flucht, aber das war ein Irrtum.
Wir waren müde, und zuerst hielt ich selbst Wache in dieser Nacht; dann stellte ich einen Kazarer dazu an, aber er mag eingeschlafen sein, auf daß das Unglück geschehe. Denn der Schatzmeister – nebst seinem Vater und vier Mann, die ihm geblieben waren – fiel in dieser Nacht über uns her, als wir bei seinem Schiff alle im Schlaf lagen. Ich erwachte davon, daß jemand über Steine stolperte und sie ins Rollen brachte. Mit gezücktem Schwert sprang ich auf, und zwei Mann liefen mich an. Aber im Mondschein sah ich, daß der Schatzmeister einen der Kazarer niederschlug und dann mit erhobenem Schwert Halvdan anfiel. Der mochte tief geschlafen haben, denn er hatte noch kaum das Schwert gezogen;
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