Die Abenteuer des Röde Orm
bisher auf dieser Reise noch nicht vorgekommen.
Nun tischlerte man eifrig weiter und stellte einen breiten Karren her, der statt der Räder starke Walzen aus Eichenholz hatte. Auf diesen lud man das Schleppbier und das meiste der übrigen Schiffsladung und machte alles gut fest.
Die Männer kamen, wie sie gesagt hatten, mit den Ochsen, und als man mit allem fertig war, wurden zwei Ochsen vor den Karren und die übrigen vor das Schiff gespannt.
»Es wäre gut gewesen, wenn wir außer diesen noch sechs bekommen hätten«, sagte Spof; »nun müssen wir selber ziehen helfen. Aber wir wollen dankbar sein für das, was uns geworden ist, denn ohne die Beihilfe von Ochsen ist dieses hier das Schlimmste, was Männer ausstehen können.«
Als das Schleppen begann, gingen einige voraus, um gestürzte Bäume aus dem Wege zu schaffen und die Spur zu ebnen. Dann kam der Karren. Die Ochsen, die ihn zogen, wurden vorsichtig geführt, und als es anfing, aus den Rädern zu rauchen, schmierte man die Achsen mit Schweinefett und Teer ein. Darauf folgte das Schiff, und neben dessen Zugtieren gingen viele Männer, die an Stricken mitzogen. Abwärts oder wo es Gras oder Moos gab, genügten die Ochsen allein; ging es aber aufwärts, dann mußten die Männer alle Kräfte gebrauchen, und wo es besonders schwer war, legte man Rollen unter die Kufen. Die Ochsentreiber redeten unentwegt auf ihre Tiere ein, und mitunter sangen sie ihnen Lieder vor, so daß sie gutwillig zogen; aber sobald Orms Leute ihnen so zusprachen, wie sie es daheim mit den eigenen Ochsen gewohnt waren, dann half das gar nichts, da diese hier nicht begriffen, was sie ihnen sagten. Darüber wunderten sich die Männer sehr; das zeige, sagten sie, daß Ochsen denn doch viel klügere Tiere seien, als man bisher von ihnen geglaubt habe; denn mit diesen ginge es ja genau wie mit Menschen, die die Sprache von Fremdlingen nicht verstünden.
Die Hitze, die Anstrengung des Ziehens und das viele Hin- und Herlaufen mit den Rollen ermüdete die Männer, aber sie hielten unverdrossen aus, denn es war ihnen ein großer Trost, den Karren mit dem Schleppbier vor sich zu sehen, und sie taten ihr Bestes, um sich dicht dahinter zu halten. Sobald sie sich am Abend gelagert hatten, riefen sie nach dem Schleppbier; aber Spof sagte, dieser erste Tag sei so leicht gewesen, daß vorläufig Fastes Bier genügen müsse. Sie tranken es murrend und fielen bald in Schlaf, und am folgenden Tag war ihre Arbeit noch schwerer. Im Laufe des Nachmittags wurden viele der Männer matt; aber Orm und Toke sprachen ihnen ermunternd zu und halfen zeitweilig – und so, daß es gut zu merken war – an den Stricken mit; und als es an diesem zweiten Tage Abend wurde, sagte Spof endlich: nun sei der Augenblick für das Schleppbier gekommen. Eine der Tonnen wurde geöffnet, und alle erhielten ihr rechtmäßiges Teil zugemessen; und obschon sie alle schon in Vi auf Gotland von diesem Gebräu geschmeckt hatten, waren sie doch darüber einig, daß sie erst jetzt dessen vollen Wert begriffen und daß ihre Mühen gut belohnt seien. Orm befahl, daß auch jeder der Ochsentreiber ein Maß bekommen sollte; sie tranken es mit Freuden, und da sie nur dünnen Met gewohnt waren, machte es sie bald berauscht, und sie sangen viel.
Am dritten Tage gelangten sie bald an einen See, der sich lang und schmal zwischen Bergrücken hinzog, und hier wurde den Männern viel Mühe erspart. Der Karren und die Ochsen blieben auf dem Landwege, aber das Schiff wurde mitsamt den Kufen ins Wasser geschoben, und nun segelten sie vor einem sanften Winde den See entlang und lagerten sich an dessen anderem Ende. Nicht weit vom Lagerplatz an einem zum See abfallenden Abhang lag ein Dorf, und unterhalb gab es üppige Weideplätze, von denen eilends wohlgenährtes Vieh heimgetrieben wurde, obgleich es noch eine gute Weile vor Abend war. Das Dorf schien groß zu sein; es war durch eine Verschanzung geschützt, die sich seltsam ausnahm, denn stellenweise bestand sie aus einem hohen Wall von Steinen und Erde, der hier und da von Pfahlwerk aus dicken Balken unterbrochen war; und es schien leicht, diese zu übersteigen.
Die Männer waren gut gelaunt, denn es war der beste Tag gewesen, den sie seit langem gehabt hatten, und der Anblick des Viehs weckte in ihnen wieder die Sehnsucht nach Fleisch. Weder Orm noch Olof waren indessen gewillt, Silber zum Kauf von Schlachtvieh herzugeben, denn nach all den Ausgaben, die sie gehabt, hielten sie das für unnötig;
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