Die Abenteuer des Röde Orm
aber viele, die sich nicht beherrschen konnten, beschlossen, dennoch aus dem Dorf das zu holen, wonach ihnen der Sinn stand.
Fastes Schreiber erzählte, daß die Bewohner dieser Gegenden Wilde vom Stamm der Dregovitier seien, denen bisher noch keine Steuer auferlegt sei, daher dürfe man mit ihnen nach Gutdünken verfahren. Spof fügte hinzu, dieses Dorf sei noch im Bau gewesen, als er vor sieben Jahren hier vorbeigekommen sei; damals sei hier kein Vieh zu sehen gewesen, und man habe die Bauleute daher in Frieden gelassen. Orm sagte seinen Leuten, daß ohne Grund niemand im Dorf getötet werden dürfe, auch sollte nicht mehr Vieh geraubt werden als nötig; und damit machten sie sich auf den Weg. Am eifrigsten zeigten sich die Sonesöhne, denn seit man in das Flußbett der Ulla gerudert war, hatte man – der großen Tagesmühen wegen – nicht mehr gejagt.
Die über Land gegangen waren, trafen bald darauf am Lagerplatz ein, und als die Ochsentreiber vom Schreiber erfuhren, daß die Männer sich ins Dorf aufgemacht hatten, um Vieh zu holen, fielen sie vor Lachen um. Orm und die anderen fragten, was ihnen denn so komisch schiene, und der Schreiber brüllte sie an, um es zu erfahren; aber vergebens, sie entgegneten nur, das werde man bald zu sehen bekommen, und dann fingen sie aufs neue zu lachen an.
Nun ertönte vom Dorfe her wildes Geheul und man sah die ganze Schar der Viehräuber, so schnell sie konnten, den Abhang herabrennen. Sie fuchtelten heulend mit den Armen, obschon außer ihnen nichts zu sehen war; einige stürzten hin, wälzten sich am Boden und blieben zuletzt reglos liegen. Aber die anderen erreichten den See und sprangen ins Wasser. Alle im Lager starrten sie an.
»Laufen sie vor Teufeln oder vor Gespenstern davon?« fragte Orm.
»Vielleicht sind es Bienen«, sagte Toke.
Es war klar, daß er recht hatte, und nun lachten alle ebenso wie die Ochsentreiber, die von Anfang an von den Bienen gewußt hatten.
Die Verfolgten mußten eine gute Weile im See sitzenbleiben, wobei sie nur die Nase aus dem Wasser hervorstreckten, bis endlich die Bienen es überdrüssig wurden und heimflogen. Mißmutig und mit verschwollenen Gesichtern kamen die Männer ins Lager zurück; sie saßen wortkarg da und meinten, durch diese Flucht vor den Bienen sich viel vergeben zu haben. Das schlimmste aber war, daß drei Männer dort, wo sie am Abhang gestürzt waren, tot lagen: es waren zwei von Olof Sommervogels Gefolgschaft und einer der Sonesöhne. Man betrauerte sie, denn an ihnen hatte man tüchtige Männer verloren. Orm befahl, daß an diesem Abend den Toten zu Ehren, und um den Zerstochenen schneller aufzuhelfen, vom Schleppbier getrunken würde. Die Ochsentreiber berichteten nun einiges über die Dregovitier, wobei der Schreiber den Dolmetscher machte.
Diese Dregovitier, sagten sie, sind listiger als andere Menschen, und so sind sie denn auf ein sehr eigenes Mittel verfallen, damit man ihre Dörfer in Ruhe läßt: sie halten sich Bienenschwärme, die in den Balken der Verschanzung wohnen und hervorkommen und stechen, sobald ein Fremder die Balken anrührt oder versucht, sie zu übersteigen. Und es ist ein Glück, daß die Männer bei Tage zum Dorf kamen, denn bei Nacht wäre es ihnen schlimmer ergangen. Die Bienen können nämlich nur tagsüber Wache halten; nachts schlafen sie, und darum halten die klugen Dregovitier sich auch Bären, die jung eingefangen, gut behandelt und von ihnen abgerichtet sind; und wenn Räuber nachts einbrechen, läßt man die Bären los. Die zerreißen die Einbrecher und kehren dann zu ihren Herren zurück, von denen sie zur Belohnung Honigscheiben erhalten. Und daher wagt sich niemand an die Dörfer der Dregovitier heran, nicht einmal die grausamen Steuereinnehmer des Großfürsten.
Man blieb auch den folgenden Tag an diesem Ort und begrub die Toten. Um Rache zu nehmen, wollten einige der Männer Feuer in das Dorf werfen; aber Orm verbot das streng, da niemand gegen die Getöteten die Hand erhoben hatte und diese also selbst schuld seien. Doch stand es schlimm um die arg Zerstochenen, denn sie waren schwer krank; aber die Ochsentreiber gingen zum Dorf hinauf, blieben in gebührendem Abstand stehen und riefen den Leuten dort zu. Nach einer Weile kamen sie mit drei alten Weibern zurück. Diese schauten sich die Gestochenen an und legten ihnen eine Salbe auf, die aus Schlangenfett, Frauenmilch, Honig und dem Saft heilkräftiger Kräuter bestand, und bald ging es den Kranken besser. Die Frauen
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